März 7, 2023

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – ein wichtiger Grund zur Kündigung

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – ein wichtiger Grund zur Kündigung

Legt ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder im Rahmen der Durchführung des Arbeitsverhältnisses ein arbeitsvertragswidriges Verhalten an den Tag, so kann der Arbeitgeber grundsätzlich darauf mit entsprechenden arbeitsrechtlichen Maßnahmen reagieren. Hierzu zählen die Abmahnung, aber auch die Kündigung.

Ausgehend von der Annahme, dass für das betroffene Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, ist die Schwere des jeweiligen Verstoßes zu ermitteln. Denn bei einem erstmaligen Fehlverhalten wird, sofern es nicht besonders schwer wiegt, in der Regel zunächst eine durch den Arbeitgeber erteilte Abmahnung vorausgesetzt werden.

Für schwere Verstöße gilt, dass es einer vorherigen Abmahnung nicht bedarf. Es muss sich dabei um ein Verhalten handeln, bei welchem dem Arbeitnehmer klar sein muss, dass es aufgrund der schwerwiegenden Verletzung arbeitsvertraglicher (Neben-)pflichten, eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigt. Handelt es sich um ein solch krasses Missverhältnis, so kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich oder sogar außerordentlich kündigen. Kündigt er es ordentlich, so ist die arbeitsvertraglich, beziehungsweise gesetzlich bestimmte Kündigungsfrist einzuhalten. Ist der Verstoß oder das Verhalten derart schwerwiegend, dass nicht einmal mehr das Abwarten der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber zumutbar ist, so kommt auch eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht.

Wichtiger Grund bei sexueller Belästigung im Betrieb

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz geschieht leider nicht allzu selten. Daher wird diese auch im Arbeitsrecht für Arbeitnehmer immer wieder relevant, wie auch zahlweise arbeitsrechtliche Urteile zeigen.

Einen Anhaltspunkt dafür, was Gesetz und Rechtsprechung unter einer sexuellen Belästigung verstehen, bietet § 3 Abs. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Demnach ist eine sexuelle Belästigung eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 des AGG, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

Nicht zu unterschätzen sind hierbei die Probleme der Beweisbarkeit.

Zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten eines jeden Arbeitnehmers gehört es auch, sich angemessen gegenüber den Mitarbeitern im Betrieb des Arbeitgebers zu verhalten. Dies nicht nur, weil es für den Arbeitgeber im Hinblick auf die Arbeitsmoral von Vorteil ist, wenn gutes Betriebsklima herrscht. Darüber hinaus ist aus Arbeitgeberseite relevant, dass dieser gegenüber aller seiner Arbeitnehmer Fürsorgepflichten zu erfüllen hat. Daher kann und darf ein Arbeitgeber es nicht dulden, wenn ihm bekannt, wird, dass einer seiner Mitarbeiter im Betrieb einen oder eine seiner Kollegen oder Kolleginnen sexuell belästigt.

In aller Regel wird ein solches Verhalten vor der Erteilung einer Kündigung nicht abgemahnt werden müssen, da jedem Arbeitnehmer klar sein muss, dass der Arbeitgeber auf eine sexuelle Belästigung gegenüber anderen Mitarbeitern mit einer Kündigung reagieren muss. Hierbei kann auch eine fristlose außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht kommen. Anknüpfungspunkt hierfür ist regelmäßig, dass es sich um einen so schwerwiegenden Verstoß handelt, dass trotz vorgenommener Interessenabwägung zwischen den Interessen der Arbeitsvertragsparteien, eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Bei einer sexuellen Belästigung handelt es sich um einen Eingriff in die Ehre und sexuelle Selbstbestimmung der betroffenen Person. Dieser wird es nicht zumutbar sein, den sexuell übergriffigen Arbeitnehmer jeden Tag im Betrieb sehen und schlimmstenfalls mit ihm gemeinsam arbeiten zu müssen. Doch auch für andere Arbeitnehmer, die in der Vergangenheit nicht von den sexuellen Übergriffen betroffen waren kann sich dies als mehr als unangenehm darstellen.

Da der Bezug zu den vom Arbeitgeber zu beachtenden Fürsorgepflichten gegenüber seinen Mitarbeitern nicht von der Hand zu weisen ist, wird eine Interessenabwägung regelmäßig ergeben, dass das Abwarten des Ablaufs der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.  Insbesondere trifft den Arbeitgeber gemäß § 12 Abs. 1 AGG die Pflicht, Beschäftigte vor sexuellen Belästigungen zu schützen.

Problem bei der außerordentlichen Kündigung: Die Kündigungserklärungsfrist

Erwägt ein Arbeitgeber die Erteilung einer fristlosen außerordentlichen Kündigung, so ist die Kündigungserklärungsfrist des § 622 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu beachten.

Denn die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, wobei der Fristbeginn der Zeitpunkt ist, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Umständen Kenntnis erlangt.

Wann genau der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist, ist nicht immer so unproblematisch festzustellen und beschäftigte auch jüngst wieder das Landesarbeitsgericht Niedersachsen im Urteil vom 20.06.2022, 12 Sa 434/21:

Dem zugrunde lagen mehrfache Handlungen des Klägers, die als sexuelle Belästigungen gegenüber Kollegen zu werten waren. Bevor die Kündigung seitens des Arbeitgebers erteilt wurde, kam es zunächst zu einer angeordneten Untersuchung bezüglich der Vorwürfe, die einige Zeit in Anspruch nahm. Auch nach dieser wurde das Arbeitsverhältnis noch nicht umgehend gekündigt. Es erfolgte zunächst noch eine Anhörung des Arbeitnehmers.

Zwischen dem Zeitpunkt der eigentlichen Kenntniserlangung und der Erteilung der Kündigung lagen somit weit mehr als zwei Wochen, weswegen die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eigentlich verstrichen gewesen wäre.

Jedoch konnte dies nicht beanstandet werden. Denn die Kündigungserklärungsfrist begann erst nach der erfolgten Anhörung, frühestens jedoch nach dem Abschluss der vom Arbeitgeber eingeleiteten Ermittlungen hierzu. Denn die Kündigungserklärungsfrist beginnt grundsätzlich erst zu laufen, wenn sich der Arbeitgeber hinsichtlich der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen sicher sein kann und ihm alle zur Verfügung stehenden oder ermittelbaren Informationen vorliegen. Im zugrunde liegenden Fall hat der Arbeitgeber vor der Erteilung der Kündigung Ermittlungen zu den Vorfällen einleiten lassen, die dazu dienten, über die maßgebenden Tatsachen eine möglichst umfassende Gewissheit zu erlangen. Solange diese Ermittlungsaufnahmen oder die Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers nicht zu unverhältnismäßigen oder gar vorsätzlichen Verzögerungen führen, beginnt die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist erst zu laufen, sobald der Arbeitgeber mit Gewissheit davon ausgehen kann, dass sich der Kündigungssachverhalt auch genauso zugetragen hat, wie es ihm erstmals, ohne die weiteren durch Ermittlungen erlangten Informationen, erstmals bekannt wurde.

Fazit

Egal ob aus Sicht des betroffenen Arbeitnehmers, der übrigen Kollegen oder des Arbeitgebers: Sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz sind von niemandem hinzunehmen.

Hiervon betroffene Arbeitnehmer sollten unverzüglich mit ihrem Arbeitgeber darüber reden, sodass dieser den Sachverhalt erforschen und seinen gesetzlichen sowie arbeitsvertraglichen Pflichten nachkommen und die arbeitsrechtlichen Maßnahmen – im Regelfall das Erteilen einer Kündigung – einleiten kann.

Die Kündigungserklärungsfrist beginnt im Zusammenhang mit einer fristlosen Kündigung nicht zu laufen, solange der Arbeitgeber darum bemüht ist, Ermittlungen anzustellen und den mit dem Vorwurf belasteten Arbeitnehmer und weitere Arbeitnehmer anzuhören.

Bei arbeitsvertraglichen Streitigkeiten, in Zusammenhang mit den Vorwürfen der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, stehen wir Ihnen gerne zur Seite.

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