Der EuGH hatte mit seiner Kücük-Entscheidung vom 26.01.2012 die sog. Kettenbefristung für zulässig erachtet. Das Bundesarbeitsgericht hat nun am 18.07.2012 entschieden, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags trotz Vorliegens eines Sachgrunds aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam sein kann.
Dabei bestimmt das Gericht zwar die Anhaltspunkte, die für einen Rechtsmissbrauch sprechen können, konkretisiert diese aber leider nicht so genau, dass Rechtssicherheit eingetreten ist. Für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs können insbesondere eine sehr lange Gesamtdauer oder eine außergewöhnlich hohe Anzahl von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber sprechen. Was eine außergewöhnlich hohe Anzahl ist, bleibt leider offen.
Die Befristung eines Arbeitsvertrags ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein solcher sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird.
Bei mehreren aufeinanderfolgenden Befristungen kommt es allein darauf an, ob bei der letzten Befristungsabrede ein Vertretungsfall vorlag. Ein bei dem Arbeitgeber vorhandener ständiger Vertretungsbedarf schließt den Sachgrund der Vertretung nicht aus.
Auch das Vorliegen eines ständigen Vertretungsbedarfs steht der Annahme des Sachgrunds der Vertretung nicht entgegen. Allerdings kann unter besonderen Umständen die Befristung eines Arbeitsvertrags trotz Vorliegens eines sachlichen Grundes wegen rechtsmissbräuchlicher Ausnutzung der an sich eröffneten rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit unwirksam sein. An einen solchen nur ausnahmsweise anzunehmenden Rechtsmissbrauch sind hohe Anforderungen zu stellen. Es sind dabei alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere aber Gesamtdauer und Anzahl der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen aufeinander folgenden befristeten Verträge, zu berücksichtigen.
Im zu entscheidenden Fall nahm das Bundesarbeitsgericht diesen Rechtsmissbrauch an, die Klägerin war aufgrund von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen von Juli 1996 bis Dezember 2007 tätig. Die befristete Beschäftigung diente fast durchgehend der Vertretung von Angestellten, die sich in Elternzeit oder Sonderurlaub befanden.
Eine Entscheidung in der Sache konnte das Bundesarbeitsgericht dennoch nicht treffen. Der Rechtsstreit war vielmehr an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, um dem Beklagten Gelegenheit zu geben, noch besondere Umstände vorzutragen, die der Annahme des an sich indizierten Rechtsmissbrauchs entgegenstehen.
(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09)