Januar 1, 2025

Lilium findet Investor: Unbedingt Kündigungsschutzklage einreichen!

Lilium findet Investor: Unbedingt Kündigungsschutzklage einreichen!

Der insolvente Flugtaxibauer aus Gauting bei München vermeldet pünktlich zu Weihnachten, dass ein Investor eingestiegen ist und das operative Geschäft weitergeht. Zuvor bereits gekündigte Mitarbeiter könnten jetzt in eine böse Falle tappen: Ohne Kündigungsschutzklage sind sie von der Gnade des Investors abhängig!

UPDATE 02.01.2025: Uns erreichen Rückmeldungen, dass das Operative Geschäft der Lilium Gesellschaften in eine andere, ggf. neu gegründete Gesellschaft verlagert werden soll (eine neue MUC Mobile Uplift Corporation in München unter Führung der Aufkäufergesellschaft MUC Mobile Uplift Corporation GmbH). Das ist für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorteilhaft, da es sich dabei um einen Betriebsübergang nach § 613a BGB handeln dürfte. Wer taktisch klug vorgeht, hat gute Chancen auf eine Weiterbeschäftigung oder eine Abfindung!
Was ist passiert?

Der bayerische Hoffnungsträger der senkrechtstartenden Flugtaxis, die Lilium, war auf der Zielgeraden: Zuerst sollten bemannte Flüge die letzten Tests liefern und 2026 sollten die ersten bereits zu hunderten vorbestellten Flugtaxis ausgeliefert werden; nachdem aber der Bund (die Ampel) Staatshilfen (u.a. eine Kreditbürgschaft über 50 Mio EUR) abgelehnt hatte, musste die Holding für die beiden operativen Töchter, die Lilium eAircraft GmbH und die Lilium GmbH Insolvenz anmelden.

Den rund 750 Beschäftigten wurde kurz vor Weihnachten gekündigt - eine schöne Bescheerung! Schließlich aber ließ das Unternehmen unter Führung des ehemaligen Airbus-Managers Roewe genau am Heiligabend 2024 die frohe Botschaft verkünden: Man habe einen Investor gefunden (genauer: ein Investorenkonsortium) und man werde die Mitarbeiter zurückholen. Offenbar wird das operative Geschäft übernommen.

Rettet der Einstieg des Investors automatisch die Arbeitsplätze?

Kurz gesagt: Nein! Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht fristgemäß innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der schriftlichen Kündigung eine Kündigungsschutzklage erheben (lassen) laufen in die Falle, dass die Kündigung jedenfalls wirksam wird. Natürlich kann das Unternehmen auch nach einer (dann) wirksamen Kündigung zurückrudern und den Beschäftigten oder die Beschäftigte zurückholen, aber eine Garantie für die Gekündigten gibt es nicht!

Warum sollten gekündigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unbedingt Kündigungsschutzklage erheben?

Fakt ist: Wer nach einer schriftlichen Kündigung die Frist von drei Wochen für die Kündigungsschutzklage verpasst, hat erst einmal Pech gehabt. Die Kündigung wird rechtlich wirksam und kann nicht mehr angegriffen werden. Wer dann nicht das Glück hat, dass die Firma bei ihm oder ihr anklopft und eine Weiterbeschäftigung anbietet, hat das Nachsehen. Außerdem heißt auch das Angebot einer Weiterbeschäftigung nicht automatisch, dass diese die selben Konditionen (Gehalt, Arbeitsumfang, Home-Office, Firmenwagen etc.) beinhaltet.

Der Arbeitgeber kann dann Rosinenpicken: Ältere, teure, kranke, unbequeme und eventuell sogar schwangere oder schwerbehinderte Menschen muss der Arbeitgeber nicht weiterbeschäftigen, wenn diese keine Kündigungsschutzklage erheben. Nur wer klagt kann den Arbeitgeber dazu zwingen, ihn oder sie (zu den selben Konditionen) weiterzubeschäftigen!

Nur weil das Management nun ankündigt, man werde die entlassenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen jetzt zurückholen, heißt das noch lange nicht, dass alle Gekündigten zurückgeholt werden. Nur mit einer Kündigungsschutzklage muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl durchführen, wenn er entgegen seiner vollmundigen Ankündigungen doch nicht alle gekündigten Beschäftigten an den Arbeitsplatz zurückholen will.

Bei einer solchen Sozialauswahl kann der Arbeitgeber viel falsch machen - mit dem Effekt, dass ihm die Kündigung vor dem Arbeitsgericht um die Ohren fliegt. Der klagende Arbeitnehmer kann es dann auf eine Abfindung oder eine Weiterbeschäftigung anlegen - aber eben nur, wenn er die Kündigung durch eine rechtzeitige Klage nicht bestandskräftig werden lässt.

Können gekündigte Beschäftigte eine Abfindung erhalten?

Ja und nein: Entgegen der landläufigen Meinung gibt es kein "Recht auf eine Abfindung" oder gar eine "automatische Abfindung"

Wer nicht rechtzeitig klagt, sieht sich einer wirksamen Kündigung und einem tiefenentspannten Arbeitgeber gegenüber, der keinen Grund hat, den Geldbeutel aufzumachen: Die Kündigung ist dann unangreifbar; er muss den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin nicht zurücknehmen und auch den sogenannten Annahmeverzugslohn für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses nicht nachzahlen.

Wer aber durch eine Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht verhindert, dass die Kündigung rechtswirksam wird, hat gute Chancen auf eine Abfindung, denn bei derart vielen Beschäftigten hat der Arbeitgeber regelmäßig viel Gelegenheit bei der Sozialauswahl Fehler zu machen - mit dem Ergebnis, dass das Arbeitsgericht der Klage stattgeben muss und es für den Arbeitgeber attraktiver ist, dem Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage "abzukaufen" nach dem Motto "Geh' mit Gott, aber geh'!".

Also gilt: Nur wer rechtzeitig klagt, kann es im Prozess auf eine Abfindung anlegen! Ohne Klage sicher keine Abfindung!
Welche Folgen hat eine mögliche Verschiebung des operativen Geschäfts in eine neue Gesellschaft für gekündigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?

Uns erreichen als Rückmeldung auf diesen Artikel Rückmeldungen, dass die Mitarbeiter von Lilium möglicherweise in eine neue Gesellschaft verlagert werden sollen - mitsamt dem Operativen Geschäft und des Betriebsvermögens. Hierzu scheint eine neue Gesellschaft aus dem Boden gestampft worden zu sein - die MUC Mobile Uplift Corporation GmbH, München (Amtsgericht München HRB 297317).

Hierbei dürfte es sich um einen klassischen Betriebsübergang nach § 613a BGB handeln, sodass gekündigten Beschäftigten dringend zu einer Kündigungsschutzklage zu raten ist! Wer rechtzeitig klagt, sich geschickt zwischen der alten Lilium und der neuen MUC Mobile Uplift Corporation GmbH hält und beide prozessual bindet, kann Druck ausüben um entweder eine Abfindung zu erlangen oder eine Weiterbeschäftigung zu erzwingen. Das Jonglieren zwischen Betriebserwerber und altem Arbeitgeber sollte allerdings besser einem Fachmann überlassen werden, denn hier kann man viel falsch machen.

Kann man eine Kündigungsschutzklage selbst erheben?

Natürlich kann man eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht auch selbst erheben. Die Arbeitsgerichte bieten dafür häufig sogar ein Formblatt zum Download an, das man auch auf der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts vor Ort schnell ausfüllen kann. Aber wie geht es weiter?

Das Arbeitsgericht wird erst einmal einen Gütetermin ansetzen, in welchem erörtert wird, ob man den Streit nicht einvernehmlich beilegen kann. Der Arbeitgeber wird zu diesem Termin schon einen guten Anwalt schicken, der jeden Trick und jeden Kniff kennt - auch was die Verfahrensordnung angeht. Das Gericht muss unparteiisch sein und darf dem Arbeitnehmer auch nicht "helfen" oder "Tipps geben".

Wenn der Arbeitgeberanwalt den sich selbst vertretenden Arbeitnehmer nicht schon im Gütetermin überfährt und austrickst (in der Regel mit einer viel zu kleinen Abfindung, garniert mit Drohungen), dann ist der Laie später bei der Sozialauswahl überfordert: Die kann in der Regel nur ein guter Fachanwalt für Arbeitsrecht "zerlegen".

Und wer nun meint "Naja, eine kleine Abfindung im Gütetermin ist ja in Ordnung für mich." wird ein böses Erwachen haben: Der Anwalt des Arbeitgebers ist nicht der Freund des Arbeitnehmers (auch wenn er sich häufig so gibt); er will das beste Ergebnis für den Arbeitgeber. Möglichst wenig zahlen, günstige Bedingungen - ob dem Beschäftigten der "Deal" oder fachlich korrekt "Vergleich" vor dem Arbeitsgericht dann um die Ohren fliegt, weil das Arbeitsamt (korrekt: Agentur für Arbeit) eine Sperrzeit verhängt, weil die Formulierung des Vergleichs ein Schuss ins eigene Knie war, ist dem Anwalt des Arbeitgebers herzlich egal. Leider merken das Arbeitnehmer erst immer dann, wenn der böse Brief vom Arbeitsamt kommt - dann hilft die "kleine Abfindung" auch nichts, denn während der Sperrzeit geht wesentlich mehr Arbeitslosengeld verloren als die "kleine Abfindung" aufwiegen kann.

Update: Nachdem ein Betriebsübergang im Raum steht und sich die Rechtslage dadurch verkompliziert, sollten Beschäftigte den Rechtsstreit undbedingt mit einem Anwalt führen. Das Risiko, durch Unkenntnis des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts Fristen zu versäumen oder rechtliche Schritte nicht einzuleiten ist vorliegend zu hoch.

Nur mit einer Kündigungsschutzklage können Beschäftigte auf eine Weiterbeschäftigung hoffen oder eine Abfindung rausschlagen; im Prozess wird es darauf ankommen, die Sozialauswahl des Unternehmens anzugreifen. Hierfür braucht es Erfahrung, die in der Regel nur ein versierter Arbeitsrechtlicher bieten kann.

Bildnachweis: Lilium, offizielle Pressemedien (https://lilium.com/news)

Autor: Fachanwalt Torsten Klose

Anwalt für Arbeitsrecht in München

Anwalt für Verkehrsrecht in München

​Das könnte Sie auch interessieren: