September 30, 2021

Kündigung wegen Whats App?

Problematische Inhalte in WhatsApp-Chats: Vertraulichkeit steht Kündigung entgegen

Rechtextremismus, Hetze und Beleidigungen – immer wieder sind private Chats mit solchen Inhalten derzeit Thema in der Presse. Insbesondere dann, wenn deren Teilnehmer*innen zu staatsnahen Gruppen wie der Polizei gehören. Häufig wird dann öffentlich darüber diskutiert, ob die Verfasser* innen einschlägiger Beiträge weiter beschäftigt werden sollten. Aktuelle Gerichtsentscheidungen zeigen, dass Äußerungen in privaten Chats nicht allein eine Kündigung begründen können. 


Wir stellen Ihnen zwei Fälle vor, bei denen die Vertraulichkeit der Kommunikation einer Kündigung entgegenstand, und erklären, wann ein Arbeitsverhältnis ausnahmsweise gerichtlich aufgelöst werden kann.

Fallbeispiel I: Kündigung eines technischen Leiters im Verein

Ein technischer Leiter eines in der Flüchtlingshilfe tätigen Vereins äußert sich gegenüber Geflüchteten und ehrenamtlichen Helfer*innen herabwürdigend und verächtlich in einem privaten WhatsApp-Gruppenchat. Die beiden anderen Teilnehmer* innen des Chats sind ebenfalls im Verein angestellt. Im Zuge der Kündigung eines dieser anderen Beschäftigten erfährt der Arbeitgeber von dem Chat und kündigt dem technischen Leiter fristgemäß.


Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg erklärt die Kündigung im Juli 2021 für un­wirk­sam, löst das Arbeitsverhältnis aber gerichtlich auf (21 Sa 1291/20). Der gekündigte Arbeitnehmer erhält eine Abfindung.

Fallbeispiel II: Kündigung eines Mitarbeiters im Kontroll- und Vollzugsdienstes

Ein im Kontroll- und Vollzugsdienst beschäftigter Arbeitnehmer tauscht in einem WhatsApp-Chat mit drei weiteren Mitarbeiter*innen Bilder und Nachrichten mit eindeutig rechtsextremem Hintergrund aus. Im selben Chat werden immer wieder auch dienstliche Fragen besprochen. Der Arbeitgeber spricht dem Arbeitnehmer auf der Basis eines Chat-Protokolls eine fristlose Kündigung aus, obwohl der zuständige Personalrat diese zuvor kritisch beurteilt.


Der Arbeitnehmer klagt gegen die Kündigung und erhält im November 2017 Recht vor dem Arbeitsgericht Mainz (4 Ca 1240/17).

Sie haben ein Recht auf Privatgespräche

In beiden Fällen begründeten die Gerichte Ihre Entscheidungen vor allem mit der Vertraulichkeit der Kommunikation. Vertraulich ist eine Nachricht dann, wenn sie nur einen klar definierten Empfängerkreis erreichen soll und darüber hinaus ihre Weiterleitung oder Veröffentlichung nicht vorgesehen ist. Schnell assoziieren wir das Recht auf Vertraulichkeit mit bestimmten Personengruppen – Whistleblower, Aktivisten, Journalisten. Und ja, für diese Berufe ist eine vertrauliche Kommunikation mitunter lebenswichtig, aber auch alle anderen Menschen haben ein Recht darauf, vertraulich kommunizieren zu können.

Denn auch in der alltäglichen Kommunikation, sei es im Privat- oder im Berufsleben, müssen Sie sich darauf verlassen können, dass bestimmte Inhalte nur an ausgewählte Personen vermittelt werden. Auch wenn Sie das Gefühl haben, nichts verbergen zu müssen. Möchten Sie wirklich, dass jeder weiß, wann Ihr Kind an welcher Bushaltestelle wartet? Sollen all Ihre Kolleg*innen über Ihr Vorstellungsgespräch bei einer anderen Firma Bescheid wissen? Wahrscheinlich nicht. Trotzdem entscheiden wir uns immer öfter gegen Datensicherheit zugunsten eines schnelleren Austauschs via E-Mail, Messenger oder Social Media.

Vertrauliche Kommunikation ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Dabei ist das Recht auf vertrauliche Kommunikation Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Oder anders gesagt: Ihre Privatgespräche sind Ausdruck Ihrer Persönlichkeit und fallen deshalb unter den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG. Im Rahmen vertraulicher Beziehungen stehen sogar Äußerungen, die an die Öffentlichkeit gerichtet strafbar wären, unter verfassungsrechtlichem Schutz. So fallen auch die menschenverachtenden und teilweise rechtsextremen – also verfassungswidrigen – Inhalte aus den beiden beschriebenen Fällen unter den Schutz des Grundgesetzes, wenn man davon ausgeht, dass die Unterhaltung in einem WhatsApp-Gruppenchat als vertrauliche Kommunikation gelten kann.

Sind WhatsApp-Chats mit Arbeitskollegen vertraulich?

Die Beschäftigten im Kontroll- und Vollzugsdienst aus dem zweiten Fall nutzen den betreffenden WhatsApp-Chat auch immer wieder für dienstliche Angelegenheiten wie beispielswiese Diensteinteilungen und Krankmeldungen. Es stellt sich daher die Fragen, ob der Gruppenchat dennoch als vertrauliche Kommunikation gelten kann. Für das Arbeitsgericht Mainz waren zur Beurteilung dieser Frage vor allem die folgenden Punkte entscheidend:

  • Die Nachrichten im Chat richteten sich nur an ganz bestimmte Personen, nämlich die eingeladenen Chat-Teilnehmer*innen.
  • Es handelte sich um einen sehr kleinen Kreis von Chat-Teilnehmer*innen.
  • Die Kommunikation im Chat erfolgte ausschließlich auf privaten Smartphones.
  • Durch den geschlossenen Kreis des Chats dürfen die Teilnehmer*innen davon ausgehen, dass nur die anderen Teilnehmer*innen ihre Äußerungen lesen.  

In beiden beschriebenen Fällen erfüllen die WhatsApp-Chats diese Voraussetzungen und sind deshalb als schutzwürdig zu betrachten. Das Arbeitsgericht Mainz führte darüber hinaus aus, dass es ohnehin nicht auf den Chat als Ganzes, sondern nur die einschlägigen Beiträge ankomme. Für die Annahme der Vertraulichkeit einzelner Beiträge spielt es also keine Rolle, wenn im Chat-Verlauf auch Themen zur Sprache kommen, bei denen die Verfasser*innen keine Vertraulichkeit erwarten (können).

Der private Gruppenchat über einen Messenger ist demnach genauso schutzwürdig wie ein direktes Gespräch unter Kolleg*innen in der Mittagspause. Das gilt auch dann, wenn der Gesprächsverlauf wie in den beiden genannten Fällen später durch Gesprächspartner*innen offengelegt und die Vertraulichkeit dadurch aufgehoben wird. Entscheidend bleibt die begründete Erwartung der Verfasser*innen, dass sich ihre Äußerungen nur an den Kreis der ausgewählten Kolleg*innen richten.

Ausnahmsweise mögliche gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses

Arbeitgeber*innen können also keine personenbedingte Kündigung aufgrund von Äußerungen in privaten Chats aussprechen, auch dann nicht, wenn diese nachträglich veröffentlicht werden. Im Fall des technischen Leiters kam es dennoch zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Der Chat-Verlauf konnte zwar keine Kündigung wegen mangelnder Verfassungstreue begründen. Dieser durfte aber trotzdem vor Gericht verwertet werden, sodass das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für unzumutbar erklären konnte.

Der Leiter des in der Flüchtlingshilfe tätigen Vereins gab an, gegenüber Geflüchteten bei einer Weiterbeschäftigung des technischen Leiters nicht mehr glaubwürdig auftreten zu können. Zumal dessen menschenverachtende Äußerungen auch durch die Presse einem breiten Publikum bekannt geworden seien. Auch würde sich ein weiterbestehendes Arbeitsverhältnis negativ auf die Gewinnung neuer Haupt- und Ehrenamtlicher auswirken. Eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses kann laut § 9 Kündigungsschutzgesetz sowohl auf Antrag von Arbeitnehmer*innen als auch von Arbeitgeber*innen erfolgen, wenn eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit der Parteien in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Das Gericht legt in solchen Fällen auch die Höhe der den Arbeitnehmer*innen zustehenden Abfindung fest.

Fazit: Keine Kündigung aufgrund vertraulicher Nachrichten

Inhalte privater WhatsApp-Chats, seien es Texte oder Bilder, können keine Kündigung begründen, auch wenn deren Vertraulichkeit nachträglich aufgehoben wird. Denn die Möglichkeit zur vertraulichen Kommunikation ist durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG geschützt. Dennoch können auch im Vertrauen getätigte Äußerungen ein Arbeitsverhältnis nachhaltig stören oder gar zu einer gerichtlichen Auflösung desselben führen.

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