März 2, 2023

Gleichbehandlung von Mann und Frau – Auch beim Lohn

Gleichbehandlung von Mann und Frau – Auch beim Lohn

Mit seinem Urteil vom 16.02.2023, 8 AZR 450/21 hat das Bundesarbeitsgericht richtungsweisend festgestellt, was schon längst dem gesellschaftlichen Konsens und dem Zeitgeist des 21. Jahrhunderts entsprechen dürfte. Männliche und weibliche Arbeitnehmer haben für gleichwertige Arbeit einen Anspruch auf gleich hohes Entgelt.

Die Klägerin war mit der von ihr in Erfurt eingelegten Revision erfolgreich und bekam auf der Grundlage der Argumentation des Bundesarbeitsgerichts, nachträglich rückständige Vergütung und eine Entschädigung zugesprochen.

Denn ihr männlicher Kollege hatte bei gleichwertiger Arbeit und nahezu gleicher Beschäftigungsdauer, mehr verdient als die Klägerin.

Das Bundesarbeitsgericht stützt seine Ausführungen auf Europarecht, sowie auf Vorschriften aus dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Worum geht es?

Die Klägerin erhielt für ihre Tätigkeit als Außendienstmitarbeiterin im Betrieb der Beklagtenseite ein Grundentgelt in Höhe von 3.500,00 € brutto. Aufgrund eines anwendbaren Haustarifvertrages sollte eine stufenweise Anhebung des Grundentgelts erfolgen. Diese erhielt daher ab dem Zeitpunkt der Anwendung des Tarifvertrages einen Lohn in Höhe von 3.620,00 €.

Ein vergleichbarer männlicher Kollege erhielt für seine Beschäftigung als Außendienstmitarbeiter im Betrieb der Beklagten nach der Ablehnung des Angebots eines Grundgehalts in Höhe von 3.500,00 €, ein Grundgehalt in Höhe von 4.500,00 € brutto und somit zunächst 1.000,00 € brutto mehr, als die Klägerin. Ab dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit des Haustarifvertrages erfolgte eine Vergütung in Höhe von 4.120,00 € brutto. Dabei handelt es sich um 500,00 € brutto mehr Entgelt, im Vergleich zu dem der Klägerin.

Die Klägerin führte an, dass sie die gleiche Arbeit verrichtet habe, wie ihr fast zeitgleich eingestellter männlicher Kollege. Sie forderte daher die Zahlung rückständigen Lohnes in Höhe der Differenz zu dem Lohn, den der männliche Kollege erhielt, sowie eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 6.000,00 €.

Das Bundesarbeitsgericht sprach ihr die Zahlung des rückständigen Lohns in Höhe der geltend gemachten Differenz, sowie eine Entschädigungszahlung in Höhe von 2.000,00 € zu.

Es sei zu einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts gekommen.

Die Klägerin hatte mit ihrer Revision daher größtenteils Erfolg und hat den Anlass zu einem richtungsweisenden Urteil des höchsten deutschen Arbeitsgerichts gegeben, durch welches klargestellt ist, dass eine unterschiedlich hohe Vergütung zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern, bei nahezu gleicher Tätigkeit, eine unzulässige Benachteiligung darstellt.

Der Anspruch auf gleichen Lohn

Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass ein Anspruch auf Zahlung eines Grundentgelts, in der Höhe des Grundentgelts des männlichen Kollegen, sich aus Art. 157 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie § 3 Abs. 1, § 7 EntgTranspG ergibt.

Art. 157 Abs. 1 AEUV verpflichtet die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherzustellen.

§§ 3 Abs. 1, 7 EntgTranspG entspringen der deutschen Gesetzgebung und regeln, dass bei Entgeltregelungen eine Benachteiligung wegen des Geschlechts verboten ist und bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit nicht wegen des Geschlecht ein gegenüber dem anderen Geschlecht geringeres Entgelt gezahlt werden darf.

Die gesetzlichen Regelungen gaben eine dementsprechende Umsetzung in deutschen Arbeitsverhältnissen also längst her. Die Praxis dürfte in vielen deutschen Betrieben jedoch anders vollzogen worden sein. Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts existiert jedoch noch einmal mehr Rechtssicherheit. Dieses ist richtungsweisend für die Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte der ersten und zweiten Instanz und dürfte einige weibliche Arbeitnehmer sicherlich ermutigen, bereits bei Gehaltsverhandlungen mehr Gehalt einzufordern, sofern offenkundig ist, was männliche Arbeitnehmer für dieselbe Tätigkeit verdienen.

Dass die Klägerin ein niedrigeres Grundentgelt erhielt als ihr männlicher Kollege ist bereits ein Indiz dafür, dass diese aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt wurde.

Im Fall des Vorliegens eines solchen Indizes nach § 22 AGG, muss die Arbeitgeberseite beweisen, dass keine Benachteiligung wegen des Geschlechts stattgefunden habe, was nahezu unmöglich sein dürfte.

Entschädigungszahlung für die Benachteiligung

Da durch die unterschiedlich hoch angesetzten Entgelte eine Benachteiligung der weiblichen Arbeitnehmerin nach dem Entgelttransparenzgebot stattfand, ist auch eine Benachteiligung nach §§ 1, 3 AGG wegen des Geschlechts der Arbeitnehmerin anzunehmen. § 7 Abs.1 AGG normiert aber gerade ein Benachteiligungsverbot. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, stehen den benachteiligten Arbeitnehmern grundsätzlich Schadensersatzansprüche für erlittene Vermögensschäden und die Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Geld für Schäden zu, die nicht Vermögensschäden sind.

Das Bundesarbeitsgericht sprach der Klägerin neben der Differenzzahlung auch eine Entschädigung in Geld für die Benachteiligung an sich, gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu. Die Benachteiligung an sich begründet einen immateriellen Schaden. Im Gegensatz zur Klägerin bezifferte das Bundesarbeitsgericht diesen nicht auf 6.000,00 €, sondern lediglich auf 2.000,00 €. Die niedrigere Bezifferung ändert jedoch nichts an der Feststellung, dass durch die verschieden hohen Entgeltzahlungen, gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verstoßen wurde und betroffenen Arbeitnehmerinnen, eine angemessene Entschädigung in Geld, alleine für die Benachteiligung an sich, zusteht.

Rechtlich geklärt, aber wie lässt sich dies in der Praxis umsetzen?

In einem solchen Fall, in dem die Arbeitnehmerin für die gleichwertige Tätigkeit weniger verdient als ihr männlicher Kollege, ist nun geklärt, dass ein Anspruch auf rückständigen Lohn und auf Entschädigungszahlung grundsätzlich besteht.

Streitpunkt in arbeitsgerichtlichen Verfahren dürfte jedoch weiterhin sein, ob denn überhaupt im Vergleich zu dem männlichen Kollegen überhaupt eine gleichwertige Tätigkeit vorliegt.

Die Arbeitgeberseite wird in einem solchen Fall wohl regelmäßig bestreiten, dass dies der Fall ist und anführen, dass der männliche Kollege eine andere Arbeit verrichtet. Da die sich auf die Benachteiligung berufende Arbeitnehmerin einen Anspruch geltend macht, ist sie hinsichtlich der anspruchsbegründenden Tatsachen darlegungs- und beweisbelastet. Sie muss im Bestreitensfall daher Beweis darüber führen, dass die Tätigkeiten gleichwertig sind.

Ein weiteres praktisches Problem dürfte sein, dass die Arbeitnehmerin in der Regel überhaupt nicht weiß, was andere Kollegen verdienen. Dies gilt insbesondere im Zeitpunkt der Gehaltsverhandlungen während des laufenden Bewerbungsverfahrens. Zwar bestehen nach dem Entgelttransparenzgesetz Auskunftsansprüche. Diese sind jedoch auch an einzuhaltende Voraussetzungen geknüpft und müssten, für den Fall, dass die Arbeitgeberseite die Auskunft verweigert, ebenfalls gerichtlich geltend gemacht werden.

Fazit

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist richtungsweisend und dürfte sicherlich die eine oder andere Arbeitnehmerin bei den Gehaltsverhandlungen bestärken. Dennoch ist es in der Praxis immer nicht so einfach, seine Ansprüche durchzusetzen. Insbesondere wenn nur ein Verdacht auf eine vergleichsweise zu niedrige Lohnzahlung besteht und auch noch Auskunftsansprüche geltend gemacht werden müssen. Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ging – wie so oft – ein langer Rechtsstreit vor der ersten und zweiten arbeitsgerichtlichen Instanz voraus.

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