Januar 22, 2021

Wichtige und aktuelle Fälle aus dem Arbeitsrecht

Es gibt keinen Fall, den es nicht gibt. Auf der anderen Seite kann man bei der Prüfung eines Falles zwar Urteile heranziehen, am Ende muss man aber immer eine Einzelfallprüfung vornehmen, um zu prüfen, ob eine Kündigung tatsächlich wirksam ist oder nicht. 

Wir möchten Ihnen nun ein paar Fälle aufzeigen, die in den vergangenen vier Jahren von Arbeitsgerichten entschieden worden sind und welche wir als lesenswert erachten:

1.     Beschluss des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 17.01.2017 (Az.: 5 TaBV 8/16): Privattelefonate

In diesem Beschluss hat das LAG entschieden, dass Privattelefonate während der Arbeitszeit eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen können, wenn die Telefonate ein exzessives Ausmaß erreicht haben.

Ein exzessives Ausmaß ist regelmäßig bei einem Zeitanteil von 15 - 20 % der Arbeitszeit anzunehmen. Liegt der Zeitanteil der Privattelefonate weit darunter (hier 2,6 %), ist die Pflichtverletzung grundsätzlich nicht so schwerwiegend, dass eine Abmahnung verzichtbar erscheint, sofern nicht der Arbeitnehmer seine Arbeitspflichten in sonstiger Weise erheblich vernachlässigt hat.

2.     Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 14.01.2016 (Az.: 6 Sa 657/15): Exzessive Privatnutzung des dienstlichen Internets

In diesem Urteil hat das LAG Berlin-Brandenburg entschieden, dass die während der Arbeitszeit erfolgte private Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses den Arbeitgeber wegen der darin liegenden Verletzung der Arbeitspflicht auch dann zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn dem Arbeitnehmer die Privatnutzung arbeitsvertraglich in Ausnahmefällen innerhalb der Arbeitspausen erlaubt ist.

Wichtig bei diesem Urteil ist, dass das LAG entschieden hat, dass Im Kündigungsschutzprozess zu Lasten des Arbeitnehmers die vom Arbeitgeber ohne Hinzuziehung des Arbeitnehmers ausgewerteten Einträge der aufgerufenen Internetseiten in der Chronik des auf dem Dienstrechner des Arbeitnehmers installierten Internet-Browsers zum Beweis einer exzessiven Internetnutzung verwertet werden können.

Es bestünde kein Beweisverwertungsverbot dieser Daten, da das Bundesdatenschutzgesetz auch ohne Einwilligung des Arbeitnehmers die Speicherung und Auswertung der Verlaufsdaten in der Chronik eines Internetbrowsers zu Zwecken der Missbrauchskontrolle erlaubt. Unabhängig davon bestünde jedenfalls dann kein Beweisverwertungsverbot, wenn dem Arbeitgeber ein mit anderen Mitteln zu führender konkreter Nachweis des Umfangs des Missbrauchs des dienstlichen Internets nicht zur Verfügung steht.

3.    Urteil des LAG Köln vom 04.07.2019 (Az.: 7 Sa 38/19): Beleidung des Chefs als „Arschloch“

In diesem Urteil hat das LAG Köln entschieden, dass bei einem Arbeitnehmer, welcher seit 11 Jahren beschäftigt ist, die Bezeichnung des Chefs als „Arschloch“ nicht für eine fristlose Kündigung, sondern nur für eine ordentliche Kündigung ausreicht. 

Zwar ist eine Beleidung des Vorgesetzten grundsätzlich an sich geeignet einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Im zweiten Schritt ist jedoch immer eine Interessenabwägung vorzunehmen. Vorliegend war der Arbeitnehmer als einfacher Bauarbeiter tätig und es gab in den elf Jahren der Beschäftigung keinerlei Beanstandungen und die Äußerung erfolgte in einer emotionalisierten Gesamtsituation. Nach Ansicht des Gerichts sei in Rechnung zu stellen, dass im sozialen Umfeld der Baubranche gemeinhin ein rauerer Umgangston gepflegt werde und zu erwarten sei als z. B. unter Bankangestellten im Büro. Dies bedeute zwar keineswegs, dass in der Baubranche Beleidigungen akzeptabel wären und folgenlos bleiben müssten. Jedoch sei bei der Gewichtung der Schwere eines Verstoßes die anzunehmende niedrigere Hemmschwelle im branchentypischen Berufsumfeld mildernd einzukalkulieren.

4.    Urteil des LAG Köln vom 06.06.2019 (Az.: 4 Sa 18/19): Beleidigung eines dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten „Ugah Ugah“

In diesem Urteil hat das LAG Köln entschieden, dass eine fristlose Kündigung wirksam ist, wenn ein bereits einschlägig abgemahnter Arbeitnehmer einen Kollegen mit dunklerer Hautfarbe in Anwesenheit mehrerer anderer Kollegen durch den Ausstoß von Affenlauten wie "Ugah Ugah" beleidigt.

Eine Beharrlichkeit des Pflichtverstoßes und damit eine nachhaltig negative Verhaltensprognose sei in einem solchen Fall insbesondere dann begründet, wenn nach Einschaltung der AGG-Beschwerdestelle der Beleidigende in der Anhörung durch den Arbeitgeber uneinsichtig äußert, sein Verhalten habe "der Auflockerung der Gesprächsatmosphäre" gedient und gehöre zum "gepflegten Umgang".

Dieses Urteil wurde im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde am 02.11.2020 vom BVerfG bestätigt.  Das BVerfG führt hierzu aus:

Zu den allgemeinen Gesetzen, die gemäß Artikel 5 Abs 2 GG das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art 5 Abs 1 S 1 GG) beschränken, zählen u.a. auch arbeitsrechtliche Vorschriften.

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit verlange in der Regel eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen Nur ausnahmsweise trete die Meinungsfreiheit bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde anderer antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf.

Verletzt eine Äußerung die in Art 1 Abs 1 GG als unantastbar geschützte Menschenwürde, so müsse die Meinungsfreiheit stets zurücktreten, da die Menschenwürde mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig sei. Auch das bedarf allerdings einer sorgfältigen Begründung

Dabei sei die Menschenwürde verletzt, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert werde; durch eine solche Äußerung werde gleichzeitig das Diskriminierungsverbot des Art 3 Abs 3 S 1 GG, also das Recht auf Anerkennung als Gleiche unabhängig von der "Rasse" verletzt.

Diese Entscheidung führt uns noch einmal deutlich vor Augen, dass Rassismus in unsere Gesellschaft, sei es im privaten oder beruflichen Umfeld absolut nichts zu suchen hat! Es ist traurig genug, dass Rassismus überhaupt noch existiert. Umso wichtiger ist es, diesem eine Schranke vorzusetzen! 


5.    Urteil des AG Berlin-Brandenburg vom 17.01.2020 (Az.: 9 Sa 434/19): Verharmlosung des Holocaust

Das AG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die nach § 241 Abs. 2 BGB bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen auch die Pflicht beinhaltet, bei dienstlichen Veranstaltungen mit potentiellen Kunden auf Äußerungen zu verzichten, die nationalsozialistische Verbrechen gegenüber der jüdischen Bevölkerung in Frage stellen oder verharmlosen. Dies gelte unabhängig davon, welche Äußerungen außerhalb dienstlicher Veranstaltungen von der allgemeinen Meinungsfreiheit gedeckt wären.

Eine Verletzung dieser Rücksichtnahmepflichten kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche
Kündigung sein.

6.    Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 19.11.2019 (Az.: 5 Sa 97/19) Kündigung einer Pflegehelferin wegen zwangsweiser Körperpflege bei einem Demenzkranken

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern bestätigt, dass eine körperliche Misshandlung von Heimbewohnern typischerweise geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Der Einsatz von Zwang und Gewalt gegen einen Heimbewohner stelle eine Misshandlung dar, die je nach den Umständen des Einzelfalles ein unterschiedliches Gewicht haben kann.

Eine schwerwiegende Misshandlung liege dabei vor, wenn einem Heimbewohner Schmerzen oder Verletzungen zugefügt werden, beispielsweise durch Schläge, Stöße, grobes Zufassen.

Wenn ein demenzkranker Heimbewohner durch zwei Pflegekräfte bei massiver Gegenwehr zwangsweise gewaschen und rasiert wird, so stelle das trotz hygienischer Gründe regelmäßig eine körperliche Misshandlung dar, die zu einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung berechtigen kann.

7.    Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 17.03.2019 (Az.:17 Sa 52/18): üble Nachrede per WhatsApp

Höchst aktuell ist auch dieses Urteil des LAG Baden-Württemberg, wonach eine fristlose Kündigung wirksam sein kann, wenn eine Arbeitnehmerin per WhatsApp an eine andere Kollegin die unzutreffende Behauptung verbreitet, der Kollege sei wegen Vergewaltigung verurteilt worden. Denn diese Behauptung sei geeignet, den Ruf des Kollegen erheblich zu beeinträchtigen.

8.    Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 05.03.2020 (Az.: 5 TaBV 9/19): sexuelle Belästigung

LAG Mecklenburg-Vorpommern hat bestätigt, dass die unerwünschte Zusendung pornografischer Videos über einen Messenger-Dienst (WhatsApp) an eine Arbeitskollegin als Grund "an sich" geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Unerwünscht sei die Zusendung, wenn dies objektiv erkennbar sei. Wie der Belästiger sein eigenes Verhalten eingeschätzt und empfunden hat oder verstanden wissen wollte, ist unerheblich. Eine sexuelle Belästigung ist bereits kraft Gesetzes untersagt; einer ausdrücklichen vorherigen Ablehnung durch die oder den Betroffene/n bedarf es nicht. Es sei Sache des Versenders pornografischer Videos, sich eines Einverständnisses des Empfängers zu versichern. Je nach konkreten Sachverhalt kann hierbei eine vorherige Abmahnung bei einer unerwünschten Zusendung pornografischer Videos entbehrlich sein.

9.    Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 05.12.2019 (Az.:17 Sa 3/19): islamfeindliche WhatsApp-Nachrichten

Dies sieht das LAG Baden-Württemberg genauso und erkennt eine Vertraulichkeit eines WhatsApp Chats nur dann an, wenn ein Austausch in beiderseitigem Einverständnis stattfinde. Im vorliegenden Fall sandte der gekündigte Arbeitnehmer einem dem Islam angehörenden Kollegen mehrere WhatsApp Nachrichten mit beleidigendem Inhalt. 

Achten Sie also bitte darauf, was Sie bei WhatsApp, Facebook, Instagram und Co. versenden. Im schlimmsten Fall kann es auch arbeitsrechtliche Konsequenzen haben!

10.    Urteil des ArbG Mainz vom 15.01.2017 – 4 Ca 1240/17): Kündigung wegen des Inhalts vertraulicher WhatsApp-Nachrichten

Es kann aber auch anders laufen. In diesem Verfahren wurde eine Kündigung als unwirksam erklärt. 

Begründet wurde dies damit, dass einem Arbeitnehmer, der laut öffentlichem Arbeitgeber fremdenfeindliche und menschenverachtende Äußerungen und Bilddateien verschickt hat, nicht gekündigt werden kann, wenn es sich um Äußerungen und Bilddateien innerhalb einer geschlossenen, privaten WhatsApp-Gruppe mit sechs Teilnehmern - Arbeitnehmern des betreffenden öffentlichen Arbeitgebers - handelt, die später offensichtlich gegen den Willen der anderen durch ein Gruppenmitglied dem Arbeitgeber offenbart wurden.

11.    Urteil des LAG Düsseldorf vom 08.06.2017 (Az.:11 Sa 823/16): Bedrohung des Vorgesetzten

Das LAG hat hier entschieden, dass die ernsthafte und nachhaltige Bedrohung des Arbeitgebers, seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB darstellt und "an sich" geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Die massive Bedrohung eines Vorgesetzten mit den Worten "Ich stech` dich ab" rechtfertigt auch ohne vorherige Abmahnung die außerordentliche Kündigung.

Fazit: Wir könnten Ihnen noch zahlreiche weitere Fälle nennen. Wenn Sie eine Kündigung erhalten haben, ist es jedoch unabwendbar Ihren konkreten Fall zu überprüfen.

Urteile der Arbeitsgerichte, Landesarbeitsgerichte sowie des Bundesarbeitsgerichts in Deutschland können einen Hinweis auf eine Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung geben. Am Ende ist aber jeder Fall ein Einzelfall und muss für sich – auch vom Gericht – gesondert überprüft werden.

Daher zögern Sie nicht und kontaktieren uns, Ihre Fachanwälte für Arbeitsrecht aus München.

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