Fallbeispiel für die Kürzung des Urlaubsanspruchs durch Kurzarbeit „Null“
Die Klägerin arbeitet drei Tage die Woche als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten in einem Betrieb. Durch die Teilzeitregelung steht ihr vertraglich ein jährlicher Urlaubsanspruch von 14 Werktagen zu. Als Folge der Corona-Pandemie musste der Betrieb von April 2020 bis Dezember 2020 Kurzarbeit „Null“ anmelden. Nachdem für April und Mai der Resturlaub der Klägerin aus den Vorjahren gewährt wurde, befand sich die Klägerin in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 durchgehend in Kurzarbeit „Null“. Im August und September wurden ihr weitere 11,5 Urlaubstage gewährt, wofür die Kurzarbeitsregelung kurzzeitig unterbrochen wurde. Im November und Dezember 2020 arbeitete sie dann an insgesamt fünf Tagen. Der Klägerin hätten somit aus ihrer Sicht noch 2,5 Urlaubstage zugestanden.
Die Arbeitgeberin bewilligte diese Urlaubstage jedoch nicht, mit der Begründung, dass sich der Urlaubsanspruch aufgrund der Kurzarbeit verringere. Das führte die Angestellte dazu, Klage zu erheben. Sie begründete ihre Klage damit, dass dafür keine Rechtsgrundlage vorhanden wäre und weder ein Vertrag noch eine betriebliche Regelung eine solche Kürzung vorsehe. Zudem habe sie während der Kurzarbeit keine richtige Freizeit, da nicht planbar sei, wann sie ihre Arbeit wieder aufnehmen müsse. Außerdem unterliege sie während der Kurzarbeit „Null“ zahlreichen sanktionsbewährten Verpflichtungen gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, denn nach § 3 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) gibt es durch die Kurzarbeit „Null“ keinen Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin.
Entscheidung: Bei Kurzarbeit „Null“ verkürzt sich der Urlaubsanspruch
Kurzarbeit „Null“ bedeutet, dass die vertragliche Arbeitszeit vollständig gekürzt wird, sodass Arbeitnehmer*innen keine Arbeitsleistung mehr erbringen müssen. Die Arbeitspflicht entfällt damit. Das LAG Düsseldorf erklärt seine Entscheidung wie folgt: Der Zweck des Erholungsurlaubs besteht darin, sich von der tatsächlich getanen Arbeit zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen. Kann jedoch keine Arbeitsleistung ausgeführt werden, wie zum Beispiel durch Kurzarbeit „Null“, besteht auch kein arbeitsbedingter Erholungsbedarf.
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Kurzarbeiter*innen zwar auf dem Papier einen Vollzeitarbeitsvertrag haben, sie aber dennoch vergleichbar mit Teilzeitarbeitskräften seien. Wie bei einer Teilzeitbeschäftigung wird der zustehende Jahresurlaub also anteilig an der tatsächlichen Arbeitszeit berechnet. Man nennt das auch den pro-rata-temporis-Grundsatz.
Das bedeutet, dass sich für jeden vollen Monat Kurzarbeit „Null“, der Jahresurlaub um 1/12 verringert. Im Fall der Arbeitnehmerin aus dem Praxisbeispiel standen ihr aufgrund der Kürzungen für die Monate Juni, Juli und Oktober damit 11 Urlaubstage zu, die sie aber bereits in den Monaten August und September genommen hatte.
Da es sich bei der Kurzarbeitszeit nicht um tatsächliche Arbeitszeit handelt, hat auch das Argument der Klägerin, dass die Kurzarbeit keine richtige Freizeit sei, keinen Bestand. Die Zeit während der Kurzarbeit soll keine Alternative zum Urlaub darstellen. Denn durch die Kurzarbeit entsteht von Vornherein gar kein Anspruch auf Urlaub. Auch die zu erfüllenden Auflagen des Arbeitsamts sind deshalb nicht von Relevanz.
Urlaubsanspruch, wenn keine Kurzarbeit „Null“ vorliegt
Anders verhält es sich, wenn keine Kurzarbeit „Null“ vorliegt. Das Arbeitsgericht Osnabrück entschied im Juni 2021, dass der Vergleich mit den Bedingungen von Teilzeitbeschäftigten nur dann gezogen werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis tatsächlich über längere Zeit ruht, wie bei Kurzarbeit „Null“. Bei der Entscheidung des Arbeitsgerichts ging es um einen Betrieb, der die Kurzarbeit kurzfristig (2 Tage vor Beginn) anmeldete. Zudem galt die Kurzarbeit nur für einzelne Tage und konnte jederzeit vorzeitig beendet werden. In einem solchen Fall kann nicht von einem wirklichen „Ruhen des Arbeitsverhältnisses“ gesprochen werden. Trifft dies zu, ist die Kürzung des Urlaubs also rechtswidrig.
Kurzarbeit „Null“ für einzelne Tage
Die Entscheidung des LAG Düsseldorf bezieht sich nur auf Fälle, in welchen sich die Arbeitnehmer*innen den ganzen Monat in Kurzarbeit „Null“ befanden. Wenn die Kurzarbeit allerdings nur zu einer Umverteilung der Arbeitszeit und damit zum Entfall der Arbeitspflicht an einzelnen Tagen ähnlich der Kurzarbeit „Null“-Regelung führt, wird der Urlaub nicht zwingend gekürzt. Hier gibt es viele Argumente, die dafür sprechen, dass nicht die gleiche Rechtswirkung in Kraft treten kann, wie bei einem längeren Ruhen der Arbeitsleistung. In einem solchen Fall müssen dann die Umstände genau betrachtet und ausgewertet werden.
Urlaubsanspruch orientiert sich an der Anzahl der Arbeitstage
Grundsätzlich gilt für Kurzarbeiter*innen: Wenn sich die Anzahl der Arbeitstage pro Woche verändert, verändert sich auch der Urlaubsanspruch. Bleibt die Anzahl jedoch gleich und lediglich die Stundenanzahl verkürzt sich, z.B. von 8 auf 4 Stunden täglich, bleibt der Urlaubsanspruch derselbe und darf nicht gekürzt werden.
Urlaub nehmen während Kurzarbeit
Da die Arbeitspflicht während der Kurzarbeit „Null“ nicht besteht, kann während dieser Zeit auch kein Urlaub genommen, bzw. vom Arbeitgeber gewährt werden. Im Praxisbeispiel kam die Arbeitgeberin der Klägerin entgegen. Sie hob für den Urlaub der Klägerin im August und September die Kurzarbeitsregelung kurzfristig auf. Im Normalfall gilt jedoch, dass der Urlaubsanspruch nicht erfüllt werden kann, da die Arbeitnehmer*innen in dieser Zeit nicht arbeitspflichtig sind.
Besteht keine Kurzarbeit „Null“ und wurde der Urlaub einmal genehmigt, kann dieser übrigens in der Regel auch nicht mehr „zurückgenommen“ werden. Selbst wenn das Reiseziel aufgrund von Corona-Einschränkungen möglicherweise nicht mehr zu bereisen ist.
Fazit: Kürzung des Urlaubsanspruches bei Kurzarbeit „Null“ zulässig
Eine Kürzung des Urlaubsanspruches ist nur dann erlaubt, wenn keine Arbeitsleistung erbracht wird und das Arbeitsverhältnis vorübergehend ruht. Dies ist bei Kurzarbeit „Null“ der Fall. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber dann das Recht hat, den Urlaub um 1/12 für jeden vollen Monat Kurzarbeit „Null“ zu verringern. In allen anderen Fällen der Kurzarbeit, das heißt, wenn nur die Arbeitszeit verringert, aber die Anzahl der Arbeitstage gleich bleibt, darf der Urlaubsanspruch nicht gekürzt werden.
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