Kündigungen beim Start-Up Personio: 115 Mitarbeiter werden entlassen
Die Pressemitteilung war nur noch Formsache, nachdem es vorher schon geleaked wurde: Personio, das münchner HR-Tech-Scale-Up entlässt 115 Mitarbeiter und damit rund 6% der Belegschaft. Betroffene Arbeitnehmer sollten unbedingt über eine Kündigungsschutzklage nachdenken.
Was ist passiert? - Warum wird gekündigt?
Salbungsvolle Worte in der Pressemitteilung des Chefs am 06.11.2024 und den internen Nachrichten können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahlen nicht passen. Verklausuliert wird von einem Einnahmenproblem in operativen (Teil-)Bereichen gesprochen, mit anderen Worten: Es schaut finanziell schlecht aus und man willl sich "gesundfasten" oder "gesundschrumpfen".
Wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden gekündigt?
Laut offizieller Mitteilung sollen ungefähr 115 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (m/w/d) gekündigt werden, das entspräche 6% der Belegschaft. Mit dem englischen Wort "approximately" will man sich bei Personio in München wohl noch etwas Spielraum lassen. Es können daher auch mehr Kündigungen werden als zunächst geplant.
Kommt automatisch eine Abfindung dabei rum, wenn ich bei Personio die Kündigung bekomme?
Ah! Die Gretchenfrage! Nein, ein Recht auf Abfindung gibt es nicht, auch wenn sich dieser Aberglaube hartnäckig hält. Im Fall von Personio hieß es beschwichtigend, man tue etwas für Sie: Den gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verspricht Renner (der CEO) unter anderem ein großzügiges Trennungspaket, Karriereberatung und das Angebot, über eine Alumni-Liste in Kontakt zu bleiben.
Von einer Kündigung betroffene sollten sich darüber im Klaren sein, dass Personio das nicht aus Nächstenliebe macht. Betriebsbedingte Kündigungen sind nicht leicht umzusetzen und der Arbeitgeber muss dabei aufpassen, dass er nicht die falschen Mitarbeiter feuert, denn das kann vor dem Arbeitsgericht (hier: Arbeitsgericht München) ganz gewaltig nach hinten losgehen.
Personio hofft wohl durch die Angebote möglichst viele Betriebsangehörige von einer Kündigungsschutzklage abhalten zu können. Ob das Angebot wirklich etwas kann, wird man sehen müssen.
Aufhebungsvertrag - soll und kann ich den guten Gewissens unterschreiben?
Ganz klares: NEIN! Auch wenn der Arbeitgeber Druck macht, das Angebot mit der "Super-Abfindung" sei zeitlich begrenzt und man müsse umgehend unterschreiben und man dürfe auf keinen Fall eine Klage vor dem Arbeitsgericht einreichen... Einen Aufhebungsvertrag ohne eine Beratung vom Fachanwalt für Arbeitsrecht abzuschließen ist grob fahrlässig!
Erstens muss man sehen, ob die angeblich so großzügige Abfindung wirklich realistisch ist und ob man sich hier nicht unter Wert "rauskaufen lässt". Zweitens sollte man bedenken, dass Fehler und Ungenauigkeiten beim Aufhebungsvertrag in den meisten Fällen leider eine Sperrzeit bei der Agentur für Arbeit beim Arbeitslosengeld nach sich ziehen - und wenn von dort einige Monate kein Geld kommt, dann ist die Abfindung nicht nichts mehr wert, man hat vielleicht sogar draufgezahlt!
Außerdem: Haben Sie bedacht, dass Sie sich andere Goodies wie ein gutes Arbeitszeugnis auch noch raushandeln sollten? All das sollten Sie am Besten in einem Aufhebungsvertrag miteinbeziehen!
Welche Frist muss ich einhalten?
Wenn Ihnen schon eine Kündigung vorliegt sollten Sie SOFORT einen Anwalt Ihres Vertrauens, am besten einen Fachanwalt für Arbeitsrecht, kontaktieren. Die Frist für eine Kündigungsschutzklage beträgt 3 Wochen ab dem Tag, an denen Ihnen eine schriftliche Kündigung des Arbeitgebers zugeht.
Dies gilt auch - nein: umso mehr! - wenn Ihnen mit der Kündigung ein Aufhebungsvertrag vorgelegt wird. Hier muss der Vertrag schnell analysiert und ggf. nachverhandelt werden. Um Zeit zu gewinnen, muss zur Not auch eine Kündigungsschutzklage erhoben werden, damit man dann im Rahmen eines Vergleichs vor dem Arbeitsgericht eine Abfindung, ein gutes Zeugnis usw. "rausholen" kann.
Fazit: Das Kündigungsschutzgesetz wird im Falle von Personio eindeutig Anwendung finden. Jeder betroffene Arbeitnehmer oder jede betroffene Arbeitnehmerin (m/w/d) sollte nicht einfach blindlinks einen Aufhebungsvertrag unterschreiben, selbst wenn darin eine Abfindung enthalten ist. Die Chancen mit geschickter Verhandlung oder einer Kündigungsschutzklage ein weitaus besseres Ergebnis zu erzielen sind hoch!