Dezember 18, 2024

1,5 Meter Abstand zum Radfahrer: Poolnudeln und „Wie deutsch willst du sein?“

1,5 Meter Abstand zum Radfahrer: Poolnudeln und "Wie deutsch willst du sein?"

Wir Deutschen nehmen uns gelegentlich gerne einmal selbst auf die Schippe, indem wir uns als bedantisch, kleinkariert und rechthaberisch darstellen und uns dabei selbstkritisch hinterfragen. Gleichzeitig können wir mit diesen Eigenschaften andere (insbesondere auch andere Deutsche) schnell zur Weißglut treiben. Bestes Beispiel: Radfahrer und Autofahrer. Bei wem gerät das Blut nicht in Wallung, wenn vor ihm oder ihr ein Radfahrer mit der "Poolnudel" auf dem Gepäckträger rumschlenkert und "seinen" Abstand einfordert?

Vielfach im Netz "geraged" - die Videos von Radfahrern, die sich eine Schwimmnudel auf den Gepächträger schnallen, um so den nachfolgenden Autofahrern den Mindestabstand zu verdeutlichen und diesen auch so einzufordern. Die Stadt Marburg hat so - mit Poolnudel - gar eine hochoffizielle PR-Demofahrt mit großem Fotoshooting abgehalten um "Awareness" für die neuen Abstandsregeln beim Überholen von Radfahrern zu erregen. Für alle nicht-hippen Leser: Aufmerksamkeit, das wollte man. Nur eben - in cool. Also "Awareness".

Aber ist das mit der Poolnudel oder auch Schwimmnudel bei Radfahrern und dem Seitenabstand nun eine bodenlose Frechheit, die sich die Radfahrer da rausnehmen, oder steckt tatsächlich ein Gesetz dahinter?

Seitenabstand zum Radfahrer: Warum die Regeln für Autofahrer wichtig sind

Seit April 2020 gelten in Deutschland klare Vorgaben für den Seitenabstand beim Überholen von Radfahrern, Fußgängern und anderen schwächeren Verkehrsteilnehmern. Der seitliche Mindestabstand beträgt innerorts 1,5 Meter und außerorts 2 Meter. Wenn dieser Abstand aufgrund der Straßenbreite oder Verkehrslage nicht eingehalten werden kann, ist das Überholen verboten.

Die Rechtslage: Sicherer Abstand beim Überholen von Radfahrern

Laut § 5 Abs. 4 der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist Überholen nur zulässig, wenn der vorgegebene Seitenabstand eingehalten wird. Das bedeutet: Befindet sich ein Radfahrer auf der Fahrbahn, muss das überholende Fahrzeug mindestens 1,5 Meter (innerorts) oder 2 Meter (außerorts) Abstand halten. Ist dies nicht möglich, darf das Auto nicht überholen, um das Risiko einer Kollision zu vermeiden.
Selbst wenn sich Radfahrende auf Schutzstreifen oder baulich getrennten Radstreifen („Protected Bike Lanes“ - wieder dieses hippe Englisch!) befinden, ist beim Überholen ein ausreichender Seitenabstand erforderlich. Diese Sicherheitsvorgabe soll Radfahrende vor den Gefahren des Straßenverkehrs schützen und ihnen eine sichere Fahrt ermöglichen.

Praktische Umsetzung: Wann ein Überholen unmöglich ist

Die neue Abstandsregel führt dazu, dass in vielen engen Straßen ein „faktisches Überholverbot“ gilt. Besonders in Innenstädten kann es oft schwer sein, den vorgeschriebenen Seitenabstand von 1,5 Metern einzuhalten, wenn die Straße zu schmal ist. Für ein sicheres Überholen bei beengten Straßenverhältnissen müsste die Straße eine lichte Breite von mindestens 4,90 Metern haben – inklusive Platz für den Radfahrer, das Auto und den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand. Ist diese Breite nicht vorhanden, darf nicht überholt werden.

Bedeutung für Autofahrer: Strafe bei Missachtung des Seitenabstands

Autofahrer, die den erforderlichen Seitenabstand beim Überholen eines Radfahrers nicht einhalten, begehen eine Ordnungswidrigkeit. Ein solcher Verstoß wird mit einem Verwarnungsgeld von mindestens 30 Euro geahndet. Zudem gilt: Wenn eine konkrete Gefährdung des Radfahrers nachgewiesen wird, kann die Strafe deutlich höher ausfallen.

Fazit: Nehmen Sie den Seitenabstand zum Radfahrer ernst

Ob mit oder ohne Poolnudel: Die neuen Abstandsregeln machen den Straßenverkehr sicherer für Radfahrer und andere schwächere Verkehrsteilnehmer. Es ist für Autofahrer wichtig, sich dieser Verpflichtung bewusst zu sein und den Seitenabstand konsequent einzuhalten. Gerade in engen Straßen ist Vorsicht geboten – oft ist dann Überholen nicht möglich. Indem Autofahrer die Abstandsregeln beachten, tragen sie aktiv zur Sicherheit im Straßenverkehr bei.

Ob Radfahrer die Poolnudel mit agressiven Sprüchen beschriften oder z.B. an Ampeln mal schnell als "Meinungsverstärker" benutzen dürfen, um Autofahrern auf die Windschutzscheibe oder an die Stoßstange zu klopfen, muss hier wohl nicht ausdrücklich erörtert werden. - Oder vielleicht doch: NEIN!

Bildquelle: div., TikTok Screenshot

Autor: Fachanwalt Torsten Klose

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