Beleidigung des Arbeitgebers in einer Chatgruppe – Fristlose Kündigung droht
Es gibt bestimmte Verhaltensweisen im laufenden Arbeitsverhältnis, die vom Arbeitgeber beanstandet werden können.
Je nach Schwere der arbeitsvertraglichen oder nebenvertraglichen Pflichtverletzung, kann der Arbeitgeber ein Verhalten des Arbeitnehmers abmahnen, oder gegebenenfalls, je nach Schwere des Verstoßes, das Arbeitsverhältnis direkt ordentlich kündigen.
Ist durch das Verhalten des Arbeitnehmers das Vertrauensverhältnis der Arbeitsvertragsparteien nachhaltig und schwerwiegend gestört, kann das Arbeitsverhältnis im Einzelfall sogar außerordentlich und fristlos gekündigt werden. Man spricht dann von einem Vorliegen eines sogenannten wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB, bei welchem dem Arbeitgeber das Abwarten des Ablaufs der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Insbesondere bei einer Beleidigung des Arbeitnehmers, zulasten des Arbeitgebers, spricht man in einem solchen Fall von einer verhaltensbedingten Kündigung. Es ergibt sich aus den arbeitsvertraglichen (Neben-)pflichten, die Ehre der anderen Arbeitsvertragspartei oder der Kollegen nicht zu verletzen und zudem den Betriebsfrieden, insbesondere durch Beleidigungen zu Lasten des Arbeitgebers, gegenüber anderen Kollegen oder Vorgesetzten, nicht zu stören.
Im Fall einer solchen Kündigung empfiehlt es sich, sich schnellstmöglich an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu wenden.
AKTUELLES URTEIL
In einer neueren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 24. August 2023 – 2 AZR 17/23, hat dieses herausgearbeitet, dass auch bei einer schwerwiegenden Beleidigung zu Lasten des Arbeitgebers, in einer privaten Chatgruppe, unter Umständen eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein kann.
Worum geht es in dem Urteil?
In der zitierten Entscheidung war der Kläger Mitglied einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe. Mit ihm waren noch fünf weitere Arbeitnehmer Mitglieder der Chatgruppe.
In der Chatgruppe wurden private Themen behandelt. Jedoch wurde sich untereinander auch in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und Arbeitskollegen geäußert.
Wie es der Zufall will, hat der Arbeitgeber von der Chatgruppe und den darin getätigten, das Arbeitsverhältnis betreffenden Ehrverletzungen, erfahren.
Die Folge war eine fristlose Kündigung. Bei Erteilung einer fristlosen Kündigung, empfiehlt es sich immer, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht heranzuziehen, um wichtige Fristen nicht verstreichen zu lassen. Der Kläger wehrte sich gerichtlich gegen die Kündigung, das Bundesarbeitsgericht hat diesen und den Rechtsstreit zweier weiterer Gruppenmitglieder, nun abschließend entschieden.
Maßgeblich ist die berechtigte Vertraulichkeitserwartung
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass im zugrunde liegenden Rechtsstreit, keine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Klägers dargelegt und bewiesen wurde.
Doch was heißt das genau?
Einfach ist der Fall, wenn eine Beleidigung direkt gegenüber dem Arbeitgeber oder dem Kollegen geäußert wird. Der Beleidigende weiß in einem solchen Fall und beabsichtigt gerade, dass die Beleidigung denjenigen erreicht, dessen Ehrgefühl er verletzt haben möchte.
Wenig Probleme bereiten in der Regel auch die Fälle, in denen der Arbeitnehmer nicht den Kollegen oder Arbeitgeber unmittelbar mit der Beleidigung konfrontiert, jedoch im Kollegium diese Beleidigungen zu Lasten eines anderen Mitarbeiters oder Arbeitgebers äußert. Hier liegen eine Ehrverletzung und eine Störung des Betriebsfriedens vor.
Komplexer werden solche Beleidigungssachverhalte in Fällen, in denen die Beleidigungen im kleinen Kreis, vertraulich und nur im Beisein bestimmter Personen geäußert werden. Hier muss angedacht werden, dass der Arbeitnehmer auf die Vertraulichkeit seines Wortes vertrauen darf.
Parallel dazu gibt es noch die sogenannte beleidigungsfreie Sphäre. Hiervon spricht man, wenn die Beleidigung zu Lasten einer anderen Person, gegenüber einer engen Vertrauensperson geäußert wird. Die Vertrauensperson und die Sphäre müssen dabei so abgegrenzt von dem Opfer der Beleidigung sein, dass dessen Wahrnehmung und die Wahrnehmung außenstehender Dritter ausgeschlossen ist. Hier kommen beispielsweise Äußerungen in der ehelichen Wohnung gegenüber dem Ehegatten in Betracht. Der Beleidigungstatbestand ist dann regelmäßig nicht erfüllt.
In dem Rechtsstreit, mit dem das Bundesarbeitsgericht befasst war, berief sich der Kläger darauf, dass es sich lediglich um eine private Chatgruppe handelte. Auch seien die Gruppenmitglieder langjährig befreundet gewesen, zwei sogar miteinander verwandt. Die Vorinstanz hatte angenommen, dass der Kläger daher eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.
Dem stellt sich das Bundesarbeitsgericht entgegen. Demnach sei, so das Bundesarbeitsgericht, eine Vertraulichkeitserwartung nur dann gerechtfertigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen könnten, was wiederum abhängig sei, von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe.
Auch wird der vom Bundesarbeitsgericht angelegte Maßstab für eine solche Beurteilung ersichtlich: Je schwerwiegender und beleidigender die Äußerungen sind, desto strenger ist die den Arbeitnehmer treffende Darlegungs- und Beweislast dahingehend, dass er berechtigterweise annehmen durfte, dass seine Äußerungen nicht außerhalb der Gruppe getragen werden.
Das Bundesarbeitsgericht kam aufgrund der schwerwiegenden Beleidigungen dazu, dass der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich seiner berechtigten Vertrauenserwartung nicht genügend nachkam.
Aus dieser Rechtsprechung wird zu folgern sein, dass, je intensiver die Beleidigung ist, mehr beweisbarer Sachvortrag des Beleidigenden zu fordern ist, der darstellt, dass der Arbeitnehmer darauf vertraut hat und vertrauen konnte, dass die Äußerungen den internen Kreis, nicht verlassen würden.
Wie verhält man sich bei einer fristlosen Kündigung?
Im Prinzip gilt bei einer fristlosen Kündigung nichts anderes als bei einer ordentlichen Kündigung, unter Einhaltung der Kündigungsfrist:
Möchte der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsverhältnis festhalten oder keine Sperrzeit bei dem Bezug von Arbeitslosengeld I riskieren, so muss dieser innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung, eine Kündigungsschutzklage vor dem örtlich zuständigen Arbeitsgericht erheben. Anderenfalls ist die Kündigung in jedem Fall wirksam und das Arbeitsverhältnis beendet.
Hierbei ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu empfehlen. Dieser erhebt die Kündigungsschutzklage und kann, sofern dies gewünscht ist, auf eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zahlung einer angemessenen Abfindung hinarbeiten oder aber den Prozess bis zum Endurteil für Sie führen.
Fazit
Beleidigungen zu Lasten von Vorgesetzten oder Kollegen ziehen in der Regel arbeitsrechtliche Mittel nach sich, von der Abmahnung, bis hin zur außerordentlichen Kündigung. Es kommt dabei auf den Einzelfall, insbesondere auf die Intensität der Ehrverletzung an.
Dies gilt nicht nur, wenn die Beleidigung gegenüber der Person selbst erfolgt. Wie sich aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ergibt, ist auch in privaten Chatgruppen Vorsicht geboten, wenn sich verächtlich über Kollegen oder Vorgesetzte geäußert wird. Bekommt der Arbeitgeber dies zufällig mit, kann im Einzelfall auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein, auch wenn der Beleidigende davon ausging, dass der Inhalt der Äußerung, innerhalb der Gruppe verbleibt.
Im Fall der Kündigung hilft nur noch der Gang zum Arbeitsgericht. Hierbei vertreten wir Sie gerne.
Schnelle Hilfe sofort
Sie haben Fragen oder wollen Ihre Ansprüche prüfen oder sich im Kündigungsschutzverfahren am Arbeitsgericht durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht vertreten lassen? Wir bieten Ihnen ein Erstgespräch an und bewerten Chancen und Risiken. Rufen Sie an oder nutzen Sie unser Kontaktformular. Auch kurzfristig möglich.