September 15, 2021

Kündigung wegen Corona

Kündigung allein aufgrund der Corona-Pandemie nicht zulässig

Die Coronakrise bedeutet für viele Betriebe eine große wirtschaftliche Belastung. Häufig greifen Arbeitgeber*innen deshalb leider zum letzten Mittel – der betriebsbedingten Kündigung ihrer Arbeitnehmer*innen. Neue gerichtliche Entscheidungen bestätigen allerdings, dass eine Kündigung allein aufgrund der Coronasituation nicht zulässig ist.

Kündigung wegen Corona möglich?

Lesen Sie hier, welche Voraussetzungen das Arbeitsrecht der Arbeitnehmer an eine rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung knüpft und warum die Begründung einer solchen für Arbeitgeber*innen in der Corona-Pandemie häufig sogar noch schwerer ist als zuvor. 

Kündigungen in Arbeitsverhältnissen unter dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG)

Sobald ein Arbeitsverhältnis mindestens 6 Monate lang besteht und im jeweiligen Betrieb mehr als 10 Arbeitnehmer*innen beschäftig sind, gilt für dieses Arbeitsverhältnis seit dem 01. Januar 2004 der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Das bedeutet, dass Arbeitgeber*innen nicht nur für fristlose, sondern auch für fristgerechte Kündigungen einen guten Grund anbringen müssen, damit diese wirksam sind.

Gründe für Kündigungen

Laut § 1 KSchG muss eine ordentliche Kündigung immer sozial gerechtfertigt sein. Sie darf also nur aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten der Arbeitnehmer*innen liegen oder aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse ausgesprochen werden. Betriebliche Erfordernisse sind beispielsweise Schließungen von Abteilungen oder Maßnahmen zur Umstrukturierung. Gründe in der Person der Arbeitnehmer*innen können eine mangelnde Eignung oder durch die Person verursachte Störungen im Betriebsablauf sein.

Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung

Erfolgt die Kündigung aus betrieblichen Gründen, muss außerdem jede der folgenden fünf Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. 1
    Ein Unternehmensentschluss wegen betrieblicher Erfordernisse (Auftragsrückgang, Organisation etc.).
  2. 2
    Der Unternehmensentschluss (Schließung, Umstrukturierung, etc.) führt zum Wegfall des Arbeitsplatzes.
  3. 3
    Es gibt keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des oder der Arbeitnehmer*in auf einem anderen Arbeitsplatz im gesamten Betrieb. Die Kündigung ist also tatsächlich dringlich.
  4. 4
    Das Interesse der Arbeitgeber*innen an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss gegenüber dem Interesse der Arbeitnehmer*innen am Erhalt des Arbeitsplatzes nach rechtlicher Prüfung überwiegen.
  5. 5
    Es wurden keine Fehler bei der Sozialauswahl gemacht. Diese muss erfolgen, wenn nur einzelne und nicht alle Arbeitnehmer*innen gekündigt werden. Dabei spielen Kriterien wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderungen der Arbeitnehmer*innen eine Rolle.

Fallbeispiel zur betriebsbedingten Kündigung wegen Corona

Ein Ausbildungslokführer ist seit dem 01. Juni 2018 bei einem Betrieb beschäftigt. Als der Bereich Bildung dieses Betriebs später in einen anderen Betrieb integriert wird, erhält der Ausbildungslokführer dort einen Arbeitsvertrag, der als einschlägigen Beschäftigungsbeginn trotzdem den 01. Juni 2018 festsetzt.


Aufgrund der hohen Infektionsgefahr während der Corona-Pandemie führt dieser neue Betrieb Kurzarbeit ein, wozu sich der Arbeitnehmer am 16. März 2020 einverstanden erklärt. Am 23. März 2020 erhält der Ausbildungslokführer eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zum 30. April 2020. Als Begründung gibt der Betrieb an, dass die berufliche Weiterbildung von Lokomotivführern nicht mehr weitergeführt werden soll und der Arbeitnehmer nicht den für seine Arbeit notwendigen EU-Führerschein nach der Triebfahrzeugführerscheinverordnung (TfV) habe.


Fristgerechte Klage gegen Wirksamkeit der Kündigung

Der Arbeitnehmer legt daraufhin fristgemäß Klage gegen die Wirksamkeit der Kündigung ein. Er gab an, die Begründung des Betriebs nicht nachvollziehen zu können, da die Ausbildung des Ausbildungslehrgangs 2018 bis 2021 fortgeführt würde und sogar neue Auszubildende eingestellt worden sein. Außerdem reiche der VDV-Führerschein für „Regionalbahnen“ für seine Tätigkeit als Ausbilder derzeit noch aus. Ein EU-Führerschein werde bisher nicht benötigt.


Der Beklagte Betrieb beantragt daraufhin die Abweisung der Klage. Der Kläger könne nur theoretisch, nicht aber praktisch ausbilden. Außerdem entfalle ein geplanter Lehrgang am Standort Berlin, wodurch sich der langfristige Arbeitsbedarf verringere. Deshalb komme auch Kurzarbeit anstelle der Kündigung nicht infrage.


Urteil am Arbeitsgereicht Berlin zur Kündigung wegen Corona

Das Arbeitsgericht Berlin stellt im Urteil vom 05. November 2020 (38 Ca 4569/20) fest, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien unwirksam ist.

Urheber und Inhalt von unternehmerischen Entscheidungen müssen deutlich sein

Die unternehmerische Entscheidung, die zum betrieblichen Erfordernis einer Kündigung führt, wird gerichtlich zwar nicht direkt auf ihre Sachlichkeit oder ihren Nutzen geprüft. Ihr Urheber der Entscheidung und ihre Inhalte, insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung und Nachhaltigkeit der Entscheidung, müssen allerdings verdeutlicht sein. Beides wird im Fall des Ausbildungslokführers nicht konkretisiert. Zwar bringt die Beklagte zur Begründung der Kündigung eine unternehmerische Entscheidung zur (teilweise) Schließung des Bildungsbereichs vor. Es wird aber nicht deutlich, wer genau diese Entscheidung getroffen hat und wie diese konkret umgesetzt werden soll. Allein die Kündigung von Personal kann die Umsetzung der Entscheidung nicht plausibel machen, denn es geht ja gerade darum, die Kündigung im Vorfeld sozial zu rechtfertigen. Eine solche Rechtfertigung der Kündigung nach § 2 Abs. 2 Satz 4 KSchG hat die Beklagte nicht vorgelegt.

Kurzfristige Auftragsschwankungen sind kein Grund für eine betriebsbedingte Kündigung

Ein verringerter Arbeitsbedarf, wie ihn die Beklagte im Fallbeispiel als Begründung angibt, kann eine betriebsbedingte Kündigung tatsächlich nur dann rechtfertigen, wenn der Arbeitsbedarf voraussichtlich auch dauerhaft entfällt. Dabei reicht es nicht aus, wenn Arbeitgeber*innen zur Begründung einer Kündigung einen Umsatzrückgang oder notwendige Sparmaßnahmen anbringen. Diese können allenfalls Auslöser für die unternehmerische Entscheidung sein, die, ausreichend konkretisiert, ihrerseits als Grund für eine betriebsbedingte Kündigung gelten kann.

Um nachzuweisen, dass ein dauerhaft verringerter Arbeitsbedarf besteht, muss der oder die Arbeitgeber*in anhand seiner Auftrags- und Personalplanung nachweisen, dass es sich nicht nur um Auftragsschwankungen, sondern um einen langfristigen Rückgang von Aufträgen handelt. Das Fehlen eines einzigen Anschlussauftrags, wie es im Fallbeispiel angedeutet wird, dient nicht als Begründung eines dauerhaft verringerten Arbeitsanfalls.

Kurzarbeit setzt kurzfristigen Umsatzrückgang voraus

Um wirksam zu sein, muss die betriebsbedingte Kündigung nach dem KSchG dringlich sein. Das ist sie nur, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, den oder die Arbeitnehmer*in weiter zu beschäftigen, z. B. im Homeoffice oder in Kurzarbeit. Während der Corona-Pandemie haben sich viele Arbeitgeber*innen dazu entschieden, Kurzarbeit anzumelden.

Die erfolgreiche Anmeldung von Kurzarbeit wiederum setzt voraus, dass die Arbeitgeber*innen plausibel machen, dass der verringerte Arbeitsanfall auf einen nur kurzfristigen Umsatzrückgang zurückzuführen ist. Hat ein Betrieb Kurzarbeit angemeldet, kann man also annehmen, dass dieser langfristig von einer Normalisierung der Auftragslage ausgeht.

Fazit:Gute Erfolgs-Chancen bei einer Kündigung wegen Corona

Deshalb führt die Corona-Pandemie zu guten Erfolgsaussichten bei Kündigungsschutzklagen

Spricht ein Betrieb in Kurzarbeit, wie im Fall der Beklagten aus dem Fallbeispiel, eine Kündigung aus und begründet diese mit einem langfristigen Umsatzrückgang, steht das den Voraussetzungen für die Anmeldung der Kurzarbeit entgegen und ist somit nicht glaubhaft. Für Arbeitgeber*innen, die Kurzarbeit in Anspruch nehmen oder genommen haben, ist die Begründung einer betriebsbedingten Kündigung deshalb regelmäßig besonders schwer. Und weil so viele Betriebe während der Corona-Pandemie Kurzarbeit angemeldet haben, bestehen derzeit häufig gute Erfolgsaussichten für Kündigungsschutzklagen.

Sollte Ihnen eine betriebsbedingte Kündigung zugegangen sein, kontaktieren Sie uns, Ihre Fachanwälte für Arbeitsrecht, unbedingt zeitnah. Eine fristgemäße Kündigungsschutzklage ist entscheidend für die Sicherung Ihres Arbeitsplatzes oder zumindest einer angemessenen Abfindung. Wir unterstützen und beraten sie gern in allen Fragen rund um Ihre Kündigungsschutzklage.

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