September 8, 2025

Tattoo mit Komplikationen: kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Wann selbstverschuldete Krankheit zum Problem wird

Wer krank ist, bekommt in der Regel bis zu sechs Wochen Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber. Doch: Dieser Anspruch entfällt, wenn die Krankheit selbst verschuldet wurde – und genau hier wird es für viele Arbeitnehmer rechtlich heikel.

Was bedeutet „selbstverschuldet“?

Im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes (§ 3 Abs. 1 EFZG) liegt Verschulden vor, wenn ein Arbeitnehmer:

  • grob fahrlässig oder vorsätzlich seine Gesundheit gefährdet,
  • also gegen das eigene Gesundheitsinteresse handelt,
  • und dabei so unvernünftig handelt, dass ein verständiger Mensch es anders gemacht hätte.

In diesen Fällen droht der Verlust des Lohnanspruchs:

👉 Nicht medizinisch notwendige Eingriffe (z. B. Schönheits-OPs, Tätowierungen, Piercings) → Wenn Komplikationen zu Arbeitsunfähigkeit führen, kann das als selbst verschuldet gelten.

👉 Gefährliche Sportarten oder leichtsinniges Verhalten beim Sport → Wer sich überfordert oder gegen Sicherheitsregeln verstößt, handelt ggf. schuldhaft.

👉 Klar vorhersehbare Risiken ignorieren → Wer sich bewusst einem gesundheitlichen Risiko aussetzt (z. B. bei bekannten Infektionsgefahren), trägt womöglich selbst die Konsequenzen.


Aktuelles Beispiel: Keine Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit wegen Tätowierung

[LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22. Mai 2025 – 5 Sa 284 a/24 - Entscheidung im Volltext]

Was war passiert?

Die klagende Arbeitnehmerin ist als Pflegehilfskraft bei der beklagten Arbeitgeberin, einem Pflegedienst beschäftigt. Am 15.12.2023 ließ sich die Arbeitnehmerin am Unterarm tätowieren. Das Tattoo entzündete sich jedoch, sodass die Arbeitnehmerin Antibiotika einnehmen musste und ärztlicherseits vom 19.12. bis 22.12.2023 krankgeschrieben wurde. Es folgten weitere Krankheitstage aufgrund der Entzündung (ohne Krankschreibung).

Die Arbeitgeberin berücksichtigte sowohl die Tage "mit gelbem Zettel" als auch die Fehltage ohne ärztliche Krankschreibungen bei der Lohn-/Gehaltsabrechnung als unentschuldigte Fehltage und bezahlte hierfür kein Entgelt.

Hierüber hatte zunächst das Arbeitsgericht Flensburg zu entscheiden, welches die Klage als unbegründet zurückwies aber die Berufung gesondert zuließ, weil der Wert der Beschwer unter 600 EUR lag. Daher hatte schließlich das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein über die Berufung der Klägerin zu entscheiden.

Die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein

Die Berufung der Klägerin, mit der diese ihren erstinstanzlich abgewiesenen Klageanspruch weiterverfolgte, wurde zurückgewiesen.

Das LAG erklärte, dass die Klägerin nachweisen konnte, vom 20.12.2023 bis 22.12.2023 und vom 27.12.2023 bis 28.12.2023 krank und arbeitsunfähig gewesen zu sein. Ihr Anspruch auf Lohnfortzahlung scheitere jedoch daran, dass sie die Krankheit nach Ansicht des Gerichts selbst verschuldet habe (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG).


Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit schuldhaft selbst verursacht hat. Wie oben erläutert, ist das der Fall, wenn er grob fahrlässig oder vorsätzlich gegen sein eigenes Gesundheitsinteresse handelt. Im konkreten Fall ließ sich die Klägerin vorsätzlich tätowieren und nahm die Gefahr einer Infektion in Kauf. Die daraus resultierende Hautentzündung führte zur Arbeitsunfähigkeit. Das Gericht sah darin ein schuldhaftes Verhalten, das den Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausschließt. Auch bei Schönheitsoperationen oder riskanten Sportarten gilt: Wer sich vorhersehbaren gesundheitlichen Risiken aussetzt, handelt schuldhaft und verliert ggf. den Anspruch auf Lohnfortzahlung. Die Regelung ist vergleichbar mit § 52 Abs. 2 SGB V, wonach Krankenkassen Leistungen bei selbst verursachten Erkrankungen durch z. B. Tätowierungen kürzen dürfen.

Was Arbeitnehmer also beachten sollten:

  • Vor risikobehafteten Aktivitäten: Nachdenken, ob mögliche Folgen zur Arbeitsunfähigkeit führen könnten
  • Medizinische Eingriffe gut abwägen: Ist die Maßnahme notwendig oder rein freiwillig?
  • Auf den eigenen Körper hören: Überforderung vermeiden – gerade im Sport
  • Dokumentation und Beratung nutzen: Ärztliche Einschätzung einholen und ggf. schriftlich festhalten

Fazit

Nicht jede Krankheit ist „einfach Pech“ – wer sich leichtsinnig selbst gefährdet, kann im Ernstfall den Anspruch auf Lohnfortzahlung verlieren. Tätowierungen sind das "Privatvergnügen" des Arbeitnehmers. Komplikationen gehen zu seinen Lasten, d.h. wie schon bei Schönheits-OPs gilt: Kein "Frei auf Verlangen" für die Durchführung des medizinisch nicht indizierten Eingriffs und auch "wenn's schiefgeht" kein Lohn.
Daher gilt: Gesundheit schützen – auch im eigenen finanziellen Interesse.

Autor: Fachanwalt Torsten Klose

Anwalt für Arbeitsrecht in München

Anwalt für Verkehrsrecht in München

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