Februar 18, 2022

Betriebsschließung aufgrund der Corona-Pandemie – Haftet der Staat?

Die Corona-Pandemie beeinflusst die Welt nach wie vor in erheblichem Ausmaß. Neben den damit verbundenen gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Problemen, kommt auch das Recht um die Pandemie nicht herum.


Obwohl bereits das dritte Coronajahr begonnen hat, hat sich die Justiz nach wie vor mit Fragen zu beschäftigen, die direkt zu Beginn der Pandemie aufgetreten sind. Insbesondere die im Frühling 2020 verhängten Lockdowns, die aufgrund von, auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) gestützten Rechtsverordnungen auf Landesebene, die vorübergehende Schließung vieler Betriebe zur Folge hatten, betrafen viele Menschen im Hotel- und Gastronomiegewerbe. Nicht verwunderlich war es daher, dass oftmals die Gerichtsbarkeiten mit diesen Themen befasst wurden.

In seinem Urteil vom 17. März 2022 – 3 ZR 79/21 hat der Bundesgerichtshof die Frage geklärt, ob aufgrund der coronabedingten Betriebsschließungen im Frühjahr 2020, Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche für die Gastronomen bestehen. Die Entscheidung hat grundsätzliche Bedeutung. Für die Gastronomen ist sie jedoch ein Rückschlag. Der Bundesgerichtshof schloss sich der Rechtsauffassung der Vorinstanzen an und kommt zu dem Ergebnis, dass keine Zahlungsansprüche der Betroffenen gegenüber dem Staat bestehen.

Worum ging es in dem Verfahren?

Der Kläger war als Inhaber eines Hotel- und Gastronomiebetriebs, Betroffener der Verordnung des beklagten Landes Brandenburg, weswegen sein  Betrieb vom 23. März bis zum 07. April 2020 geschlossen werden musste. Hierfür erhielt er EUR 60.000 Corona-Soforthilfe. Dennoch erhob er Klage gegen das Land Brandenburg auf Zahlung von EUR 27.017,28 und begehrte festzustellen, dass das Land eine Ersatzpflicht für alle weiteren entstandenen Schäden treffe. Das zuständige Landgericht wies die Klage ab. Auch die Berufung vor dem Oberlandesgericht brachte keinen Erfolg. Daraufhin legte der Kläger Revision ein, die der Bundesgerichtshof in oben genanntem Urteil zurückwies.

Keine Entschädigungsansrüche aus dem Infektionsschutzgesetz

Das Bundesgericht stellte klar, dass, obwohl sich aus dem Infektionsschutzgesetz des Bundes grundsätzlich Entschädigungsansprüche herleiten lassen, diese für den Fall des coronabedingten Lockdowns nicht eingreifen.

Bei den Verordnungen der Länder zur Schließung der Betriebe handelt es sich um sogenannte flächendeckende Schutzmaßnahmen, im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG. Grundsätzlich stellt der § 56 Abs. 1 IfSG eine Anspruchsgrundlage für Entschädigungen dar, jedoch nicht im vorliegenden Fall. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass diese Anspruchsgrundlage nur greift, wenn der Anspruchsteller gezielt personenbezogen als sogenannter Störer von der Maßnahme betroffen wird. Da jedoch eine Rechtsverordnung ergangen ist, die abstrakt und generell, also für eine Vielzahl nicht individualisierbarer Menschen gilt, besteht ein solcher Anspruch gerade nicht.

Bedeutender dürfte die Bewertung des Bundesgerichtshofs zum § 65 Abs. 1 IfSG sein. Aus diesem ergibt sich zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Zahlung bei Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten. Die vom beklagten Land erlassenen Rechtsverordnungen dienten jedoch der Bekämpfung von COVID-19. Eine Anwendung der Vorschrift für die Fälle, in denen bekämpfende Maßnahmen zugleich verhütend wirken, ist ausgeschlossen.

Kein Spielraum für eine andere Ansicht

Eine die Betroffenen auch in diesen Fällen begünstigende verfassungskonforme Auslegung der §§ 56 Abs. 1, 65 Abs. 1 IfSG, schließt das Bundesgericht aus, da aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschriften, kein Spielraum für eine diesbezügliche Auslegung gegeben ist.


Das Gericht beschäftigt sich darüber hinaus mit einer analogen Anwendung der beiden Vorschriften, jedoch bleibt auch dies ergebnislos. Verlangt die analoge Anwendung einer Vorschrift vergeichbare Interessenlagen und eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers, so scheitert die Analogie an beiden Voraussetzungen. Der Gesetzgeber hat  im Laufe der Coronapandemie erkennen lassen, dass Entschädigungen nur auf wenige individualisierbare Fälle zu begrenzen sind, was ein entsprechendes Ergebnis für eine auf eine Vielzahl von Menschen gerichtete Maßnahme ausschließt.

Auch sonst bestehen keine Anspruchsgrundlagen

Landesgesetzliche Ansprüche aufgrund des jeweiligen Polizei- und Ordnungsrechts, werden durch das bundesrechtliche Infektionsschutzgesetz verdrängt.

Auch ein Anpruch aufgrund eines enteignenden Eingriffs scheidet aus. Ein solcher ist auch bei rechtmäßigen EIngriffen grundsätzlich denkbar, wenn dessen Nebenfolgen für Betroffene eine besondere Belastung darstellen. Verneint wird ein solcher Anspruch damit, dass auch dies nicht dem in den §§ 56, 65 IfSG zum Ausdruck kommenden Wllen des Gesetzgebers entspricht, nur punktuelle Entschädigungen vorzunehmen. Es sollen gerade nicht „massenhafte und großvolumige Entschädigungen“ seitens der Gerichte zuerkannt werden.
Amtshaftungsansprüche scheiden aus, da die Landesverordnungen rechtmäßig waren.

Generell sollen Staatshaftungsansprüche ausscheiden. Im Zusammenhang mit dem sich aus Art. 20 Abs. 1 GG ergebenden Sozialstaatsprinzip, folgt zwar eine Ausgleichspflicht. Dieser nachzukommen ist jedoch Sache des Gesetzgebers. Als Beispiel hierfür wird die Gewährung der sogenannten Coronahilfen genannt.

Fazit zur Betriebsschließung aufgrund der Corona-Pandemie

Somit bestehen keine Ansprüche auf Entschädigung, beziehungsweise Schadensersatz, die die von den im Frühling 2020 erlassenen Maßnahmen betroffenen Gastronomen, gegen den Rechtsträger des jeweiligen Verordnungsgebers, also das Land geltend machen können. Dabei dürfte es keinen Unterschied machen, ob die Beklagtenseite das Land Brandenburg, oder ein anderes Land der Bundesrepublik Deutschland ist. Denn das Infektionsschutzgesetz ist ein Bundesgesetz und geht dem Landesrecht vor. Daher gelten die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zum brandenburgischen Polizei- und Ordnungsrecht auch für die anderen Länder.

Diese höchstrichterliche Rechtsprechung wird daher noch für alle weiteren bereits anhängigen Verfahren vor den Land- und Oberlandesgerichten relevant. Für die Gastronomen bedeutet dies, dass sie neben den zugesagten Cornahilfen keinen Anspruch auf Entschädigung haben, was in Anbetracht der zu zahlenden Löhne, der Verdienstausfälle, der Betriebskosten und sonstiger betrieblich veranlasster Zahlungen, sehr ernüchternd sein dürfte.


Für weitere rechtliche Fragen zur Coronasituation, stehen wir Ihnen insbesondere im Bereich des Arbeitsrechts zur Verfügung.

Wir sind für Sie da

​Das könnte Sie auch interessieren: