März 31, 2022

Die Arbeitnehmerüberlassung – Drei Parteien, drei Interessen

Leiharbeit und Zeitarbeit = Arbeitnehmerüberlassung 

Diese Begriffe fallen in der Umgangssprache wohl häufiger, als der Begriff der Arbeitnehmerüberlassung, gemeint ist jedoch dasselbe. Die Ausgestaltung richtet sich nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Dieses ist von hoher Relevanz für die Arbeitswelt und prägt auch das Arbeitsrecht. § 1 AÜG schafft die Möglichkeit, dass ein verleihender Arbeitgeber einem entleihenden Arbeitgeber, im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit, Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlässt. Der Leiharbeitnehmer arbeitet daher für einen Arbeitgeber, obwohl zwischen beiden kein Vertragsverhältnis besteht.

Die Vertragsverhältnisse bestehen lediglich zwischen dem Arbeitnehmer und dem Verleiher sowie zwischen dem Verleiher und dem Entleiher.

Aufgrund einzuhaltender Fristen, Anzeige- und Erlaubnispflichten sowie Regelungen von Unwirksamkeitstatbeständen, ist eine solche arbeitsrechtliche Ausgestaltung durchaus fehleranfällig. Nicht verwunderlich ist es daher, dass auch die Judikative sich mit Einzelfragen zu diesem arbeitsrechtlichen Teilrechtsgebiet beschäftigen muss.

Tarifvertrag sticht gesetzliche Regelung

Grundsätzlich darf eine Arbeitnehmerüberlassung nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate erfolgen, wie § 1 Abs. 1b AÜG regelt. Hiervon abweichende Regelungen erlaubt das Gesetz für Tarifverträge, deren Wirkung die Entleiher unterliegen.

In seinem Urteil vom 17.03.2022, C-232/20 hatte der Europäische Gerichtshof, im Rahmen eines vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingereichten Vorabentscheidungsersuchens, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob bei einer längeren Beschäftigung des Leiharbeitnehmers bei dem entleihenden Betrieb, der Arbeitnehmer aus Unionsrecht ein Recht auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher haben kann.

Konkret ging es um einen Leiharbeitnehmer, der bereits seit 55 Monaten bei Daimler beschäftigt war und die Begründung eines Arbeitsverhältnisses begehrte, welches nicht über den Umweg eines Verleiherbetriebes vermittelt wird.

Der EuGH sah im Europarecht keine Begünstigung zugunsten des Leiharbeitnehmers und verwies, lediglich mit dem Hinweis auf eine mögliche Missbräuchlichkeit, auf die nationalen Regelungen und erlaubt es damit der deutschen Judikative mit der Grundsatz- und Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 1b AÜG zu operieren, ohne dass die Verletzung oder Missachtung von Europarecht im Raum steht. Folglich ist im Sinne der Vorschrift eine Arbeitnehmerüberlassung über 18 Monate zulässig, wenn eine hiervon abweichende Überlassungshöchstdauer in einem Tarifvertrag wirksam vorgesehen ist.

Besonderheiten der Arbeitnehmerüberlassung

Anders als bei einem gewöhnlichen Arbeitsverhältnis, erbringt der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht unmittelbar für seinen Vertragspartner, sondern für eine dritte Partei. Dies wiederum geschieht auf der Grundlage des zwischen ihm und dem Verleiher geschlossenen Leiharbeitsvertrages, in welchem die Parteien regeln, dass der Arbeitnehmer vom Verleiher an einen anderen Arbeitgeber, den Entleiher, überlassen wird.

Der Leiharbeitnehmer unterliegt trotz Fehlens einer unmittelbaren vertraglichen Beziehung, dem Direktionsrecht des Entleihers. Für Lohn- und Urlaubsansprüche sowie sonstige arbeitsvertragliche Ansprüche, hat der Arbeitnehmer sich an seinen Vertragspartner, also den Verleiher zu wenden. Im Falle gewerblicher Arbeitnehmerüberlassung, handelt es sich bei dem Verleiher in der Regel um eine Zeitarbeitsfirma.

Der (gewerbliche) Verleiher wird regelmäßig unter Erhebung einer Gebühr, den Arbeitnehmer an den Entleiher überlassen, was auf der Grundlage eines zwischen den beiden Unternehmen geschlossenen Vertrages geschieht. In diesem Vertrag ist die Überlassung des Leiharbeitnehmers ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen.

Unter welchen Voraussetzungen ist die Arbeitnehmerüberlassung zulässig?

Bereits aus § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG ergibt sich, dass die Arbeitnehmerüberlassung seitens des Verleihers der Erlaubnis bedarf. Erlaubnisbehörde ist die Bundesagentur für Arbeit, für große Teile Süddeutschlands ist die Agentur für Arbeit in Nürnberg örtlich zuständig. Eine ohne Erlaubnis erfolgte Arbeitnehmerüberlassung, hat gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG die Unwirksamkeit des Vertrages zwischen Verleiher und Entleiher, sowie zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer zur Folge.

Die Erlaubnis kann mit Auflagen versehen sowie unter Bedingungen und unter Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden. Sie wird zunächst jeweils auf ein Jahr befristet erteilt. Eine unbefristete Erlaubnis kann nach drei aufeinanderfolgenden Jahren einer erlaubten Arbeitnehmerüberlassung erteilt werden. In § 3 AÜG ist geregelt, in welchen Fällen die Erlaubnis oder ihre Verlängerung zu untersagen ist. Beispielsweise erfolgt eine Versagung, wenn der Antragsteller, also der Verleiher, nicht in der Lage ist, seine Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen.

Die Erlaubnispflicht betrifft die gewerblichen Arbeitnehmerüberlassungen, in der Regel also Zeitarbeitsfirmen. Für sonstige Antragsteller besteht unter bestimmten Voraussetzungen keine Erlaubnis-, sondern lediglich eine Anzeigepflicht bei der Bundesagentur für Arbeit. Dies ist der Fall bei einer geplanten Arbeitnehmerüberlassung seitens eines Arbeitgebers, der weniger als 50 Arbeitnehmer beschäftigt, mit der Arbeitnehmerüberlassung Kurzarbeit oder Entlassungen vermeiden und einen Arbeitnehmer überlassen will, der nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt ist. Die Dauer der Arbeitnehmerüberlassung darf zwölf Monate nicht überschreiten.

Gleichstellung des Leiharbeitnehmers – „Equal Pay“ und „Equal Treatment“

Leiharbeitnehmer erfahren einen besonderen Schutz durch § 8 AÜG. Der dort normierte Gleichstellungsgrundsatz besagt, dass der Verleiher verpflichtet ist, für die Zeit der Überlassung an den Entleiher, sowohl die im Betrieb des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen („Equal Treatment“), als auch die Arbeitsentgeltregelungen („Equal Pay“) zu gewähren.

Faktische Folge dieses Grundsatzes ist, dass der Leiharbeitnehmer durch die Ausgestaltung der arbeitsrechtlichen Beziehungen zueinander, im Wege der Arbeitnehmerüberlassung, nicht schlechter gestellt werden soll, als die beim Entleiher arbeitsvertraglich beschäftigten Arbeitnehmer, mit einer vergleichbaren Tätigkeit. Es sollen die gleiche Behandlung und der gleiche Lohn für die gleiche Tätigkeit gewährleistet werden, unabhängig davon, ob eine Beschäftigung beim Entleiher selbst, oder bei einem Verleiher vorliegt.

Von diesem Grundsatz eröffnet das Gesetz jedoch eine für Leiharbeitnehmer nachteilige Ausnahme in § 8 Abs. 2 AÜG. Demnach kann in einer tarifvertraglichen Regelung, vom Gleichstellungsgrundsatz abgewichen werden. Bei Nichtgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien an den Tarifvertrag, ist auch eine im Arbeitsvertrag vorgesehene Bezugnahme Klausel auf den jeweiligen Tarifvertrag zulässig. Eine Unterschreitung des gezahlten Lohns darf jedoch nicht unterhalb der Lohnuntergrenze des § 3a Abs. 2 AÜG in Verbindung mit der Rechtsverordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung (AÜGLohnV) erfolgen. Die Verordnung sieht ab dem 01.04.2022 ein Mindestundenentgelt von EUR 10,88 im gesamten Bundesgebiet vor.

Folgen bei Verstößen gegen das AÜG

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sieht in § 16 AÜG einen umfassenden Ordnungswidrigkeitenkatalog vor. Hierin werden unter anderem Verstöße gegen die Pflicht zur Einholung einer Erlaubnis, der falschen oder nicht erfolgten Bezeichnung der Arbeitnehmerüberlassung im Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher, sowie ein Verstoß gegen den Gleichstellungsgrundsatz aus § 8 AÜG normiert. Bei Verstößen drohen je nach Art und Schwere des Verstoßes, Bußgelder bis zu 30.000 Euro.

Fazit

Die Idee der Arbeitnehmerüberlassung ist ein geeignetes Instrument, um es Entleihern zu ermöglichen, bei Bedarf schnell Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt zu bekommen. Für gewerbliche Verleiher, in der Regel Zeitarbeitsfirmen, lassen sich hierdurch Gewinne durch zu zahlende Gebühren der Entleiher, für die erfolgte Überlassung erzielen.

Da den Arbeitgeberinteressen das Arbeitnehmerschutzinteresse gegenübersteht, hat der Gesetzgeber mit dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Regelungen getroffen, die die Leiharbeitnehmer schützen und vor einer Benachteiligung gegenüber „normal“ Beschäftigten bewahren sollen. Durch die teilweise Eröffnung der Möglichkeit von Abweichungen in Tarifverträgen, kann dieser Schutz jedoch umgangen werden, was sich auch an dem bereits angeführten Urteil des Europäischen Gerichtshofs zeigt.

Bei weiteren Fragen zur Arbeitnehmerüberlassung, stehen Ihnen unsere Anwälte für Arbeitsrecht gerne zur Verfügung.

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