Februar 23, 2022

Mindestlohn

Mindestlohn – Gesetzlicher Mindestanspruch gegen den Arbeitgeber für (fast) alle

Am 01. Januar 2015 in Kraft getreten und nicht mehr wegzudenken – das Mindestlohngesetz (MiLoG). Aus § 1 Abs. 1 MiLoG lässt sich ein Anspruch einer jeden Arbeitnehmerin und eines jeden Arbeitnehmers gegen seinen/seine Arbeitgeber*in, auf Zahlung des gesetzlich vorgesehenen Mindestlohns ableiten.

War der gesetzliche Mindestlohn im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes noch bei 8,50 Euro, so liegt dieser für die erste Hälfte des Jahres 2022, auf Empfehlung der in § 1 Abs. 2 S. 2 MiLoG vorgesehenen Mindestlohnkommission, bei 9,82 Euro. Für die zweite Jahreshälfte ist ein gesetzlicher Mindestlohn von 10,45 Euro vorgesehen, es soll eine Erhöhung auf 12,00 Euro.

Der Vorteil ist, dass grundsätzlich jeder/jede Arbeitnehmer*in diesen gesetzlichen Mindestanspruch hat.

Jedoch kann es vorkommen, dass eine Person für eine/einen Arbeitgeber*in arbeitet und keinen Anspruch hat. Was ist wenn ich arbeite, aber kein/e Arbeitnehmer*in im Sinne des § 1 MiLoG bin?

Aufhänger für diese Frage ist ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.01.2022 – 5 AZR 217/21, welches sich mit dem in § 22 MiLoG geregelten persönlichen Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes beschäftigt, insbesondere mit der Ausnahme des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 MiLoG

Der Grundsatz zum Mindestlohn

Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 MiLoG gilt das Mindestlohngesetz für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der Begriff der Arbeitnehmereigenschaft ergibt sich aus § 611a Abs. 1 BGB, der von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geprägt ist. Demnach ist Arbeitnehmer*in, wer in persönlicher Abhängigkeit, weisungsgebunden fremdbestimmte Arbeit im Dienste eines/einer anderen verrichtet, wozu er/sie sich durch einen privatrechtlichen Vertrag verpflichtet hat.

§ 22 Abs. 1 S. 2 MiLoG erstreckt den persönlichen Anwendungsbereich im ersten Halbsatz auch auf Praktikantinnen und Praktikanten. Es handelt sich hierbei um Personen, die sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterziehen (§ 22 Abs. 1 S. 3 MiLoG), ohne dass es sich hierbei um eine Berufsausbildung im klassischen Sinn handelt.

Mindestlohn im Arbeitsrecht

Die Ausnahmen vom Mindestlohn

Neben Ausnahmen vom persönlichen Anwendungsbereich für Personen unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung und Personen, die sich einer Berufsausbildung unterziehen (für diese gilt die Mindestausbildungsvergütung nach § 17 BBiG) oder einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen, sowie denen, die vor ihrer Beschäftigung langzeitarbeitslos waren (Ausschluss des Anpruchs nur für die ersten sechs Monate ab Beschäftigungsbeginn), regelt § 22 Abs. 1 S. 2 MiLoG katalogartig Ausnahmen, nach denen ein Anspruch nach § 1 MiLoG für Praktikantinnen und Praktikanten nicht besteht.

So regeln die Nummern 2 bis 4, dass der Anspruch für solche Praktika nicht besteht, die maximal drei Monate zur Orientierung oder berufs-, beziehungsweise hochschulausbildungsbegleitend abgeleistet werden (Im zweiten Fall jedoch nur, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat), alternativ für solche sozialversicherungspflichtigen Praktika, die in Gestalt einer betrieblichen Einstiegsqualifizierung durchgeführt werden. Zudem besteht auch kein Anspruch bei der Durchführung einer Berufsausbildungsvorbereitung im Sinne der §§ 68 bis 70 des Berufsausbildungsgesetzes, die sich an bestimmte Personen richtet, deren Entwicklungsstand eine erfolgreiche Ausbildung noch nicht erwarten lässt.

Die zitierte Entscheidung bezieht sich jedoch auf die Ausnahmevorschirift des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 MiLoG.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 MiLoG:

Der Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns ist ausgeschlossen für Praktikantinnen und Praktikanten, die ein Praktikum verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten.

Der Wortlaut impliziert, dass dies nur für obligatorische Praktika gilt, die nach Beginn des Studiums oder der Ausbildung abzuleisten sind.

Die Entscheidung des BAG, in der auf die Gesetzesbegründung zur Vorschrift eingegangen wird, stellt klar, dass die Ausnahmevorschrift des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 MiLoG auch für die Ableistung von Praktika gilt, die Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme an einer Hochschule oder an einer sonstigen Ausbildungseinrichtung im Sinne der Vorschrift sind.

Die Klägerin machte vor dem zuständigen Landesarbeitsgericht einen Zahlungsanspruch unter Berufung auf das Mindestlohngesetz gegen ein Krankenhaus geltend, auf dessen Krankenpflegestation sie über sechs Monate ein Praktikum absolvierte. Grund für die Aufnahme des Praktikums bei der Beklagten, war eine Regelung einer privaten, staatlich anerkannten Universität, in deren Studienordnung als Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums der Humanmedizin die Ableistung eines sechsmonatigen Krankenpflegedienstes vorgesehen war.

Praktikanten sind keine Mindestlöhner

Mit der Ansicht, ein Praktikum zur Aufnahme eines Studiums falle nicht unter den Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 MiLoG, weswegen in ihrem Fall der persönliche Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes eröffnet sei, drang sie vor dem zuständigen Landesarbeitsgericht nicht durch, woraufhin sie gegen das Urteil Revision vor dem Bundesarbeitsgericht einlegte.

Jedoch blieb sie auch damit erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht verwies auf die Gesetzesbegründung, in der der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers zum Vorschein komme, dass von der Vorschrift nicht nur Praktika umfasst seien, die während des Studiums abzuleisten sind, sondern auch solche, die Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums sind. Zudem stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass der private Charakter der Universität im Falle der staatlichen Anerkennung unerheblich sei.

Fazit zum Thema Mindestlohn

Somit steht auch Praktikant*innen keine Lohnzahlung in Höhe des Mindestlohns zu, die ein Praktikum aufnehmen, welches Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm, jedoch nach zutreffender Ansicht des Bundesarbeitsgerichts aus der Gesetzesbegründung zu der Vorschrift. Diese Rechtsprechung lässt sich somit vermutlich auf alle obligatorischen Praktika übernehmen, die – zu welchem Zweck auch immer – in der jeweiligen Studienordnung vorgesehen sind.

Darüber hinaus besteht in der Regel kein Anspruch bei sonstigen Praktika, die maximal drei Monate dauern, wenn sie der Orientierung dienen oder berufs-/hochschulausbildungsbegleitend aufgenommen werden. Ein Ausschluss des Anspruchs besteht auch bei Einstiegsqualifizierungen und Berufsausbildungsvorbereitungen.

In weiteren Fragen zum Mindestlohnanspruch stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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