Besteht ein Arbeitsverhältnis und ist bezüglich des Vermögens des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet worden, so betrifft dies auch die Arbeitnehmer.
Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei dem Arbeitgeber um eine natürliche Person oder eine juristische Person, beispielsweise eine GmbH handelt, § 11 Abs. 1 InsO. An die Stelle des Arbeitgebers tritt nun der Insolvenzverwalter. Grundsätzlich bestehen die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers fort. Negative Auswirkung wird sein, dass nun nicht mehr eine Unternehmensphilosophie, im Sinne einer gewinnerzielenden Tätigkeit verfolgt werden wird. Primäres Ziel ist fortan, die Gläubiger bezüglich ihrer Ansprüche, bestmöglich zu befriedigen und den Schaden gering zu halten. Daher wird der Insolvenzverwalter zu prüfen haben, ob die Kündigung von Arbeitsverhältnissen in Erwägung zu ziehen ist. Hierbei können gemäß § 113 InsO andere Kündigungsfristen maßgeblich sein als arbeits- oder tarifvertraglich vorgesehen.
Doch auch hinsichtlich der Lohnansprüche der Arbeitnehmer können sich Nachteile ergeben. Daher hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit Fragen der Rückzahlung von ausgezahlten Löhnen über ein anderes Konto und Kollisionen mit Regelungen des Mindestlohngesetzes (MiLoG) auseinanderzusetzen.
Kein Mindestlohn bei Insolvenzanfechtung
Mit Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Mai 2022 – 6 AZR 497/2 entschied dieses, dass die Rechtswirkungen des Mindestlohngesetzes enden, wenn der Insolvenzverwalter einen Rückgewähranspruch im Hinblick auf bereits ausgezahlten Lohn hat, der über ein Konto ausgezahlt wurde, auf das der Arbeitgeber während der Zahlungsunfähigkeit Vermögen transferierte. Ein solcher Rückgewähranspruch besteht, wenn die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung, nach den §§ 129ff. InsO vorliegen.
Folglich kann der Insolvenzverwalter für einen bestimmten Zeitraum, den über ein anderes Konto ausgezahlten Lohn zurückfordern, wobei keine Rücksicht auf den gesetzlichen Mindestlohn zu nehmen ist. Der Gesetzgeber habe einen besonderen Schutz des Arbeitnehmers für diesen Fall, nicht gesetzlich vorgesehen. Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Existenzminimums des Arbeitnehmers, sei durch die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung (ZPO), sowie durch das Sozialrecht gewährleistet.
Im Fall, mit dem sich das Bundesarbeitsgericht auseinanderzusetzen hatte, erhielt eine Arbeitnehmerin ihren Lohn über das Konto der Mutter ihres damals bereits zahlungsunfähigen Arbeitgebers. Dieser hatte, als er bereits zahlungsunfähig war, Vermögenssummen auf das Konto seiner Mutter eingezahlt. Die Arbeitnehmerin erhielt über diesen Umweg ihren Lohn. Der Insolvenzverwalter forderte den Betrag zurück, ohne Rücksicht auf das Mindestlohngesetz. Das Bundesarbeitsgericht teilte die Rechtsansicht des Insolvenzverwalters.
Doch was heißt das konkret?
Grundsätze des Mindestlohngesetzes
Grundsätzlich hat gemäß § 1 Abs. 1 MiLoG jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts, mindestens in der Höhe des Mindestlohns gegen den Arbeitgeber. Der gesetzliche Mindestlohn beträgt aktuell 9,82 € und soll ab 01. Juli 2022 auf 10,45 € erhöht werden. Der aktuell vorliegende Gesetzentwurf für das Mindestlohnerhöhungsgesetz sieht einen Anstieg des Mindestlohns auf 12,00 € zum 01. Oktober 2022 vor.
Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn ist grundsätzlich in Stein gemeißelt. Durch keinen Arbeits- oder Tarifvertrag kann der gesetzlich zugesicherte Mindestlohnanspruch unterschritten werden. Auch Allgemeine Geschäftsbedingungen in Arbeitsverträgen, die nicht explizit verdeutlichen, dass bestimmte Regelungen, beispielsweise im Zusammenhang mit Ausschlussfristen, den Mindestlohnanspruch nicht betreffen, sind in der Regel unwirksam. Es liegt ein Verstoß gegen des Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vor.
Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung im konkreten Fall
Die §§ 129ff. InsO berechtigen den Insolvenzverwalter unter bestimmten Umständen, Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden und Insolvenzgläubiger benachteiligen, diese anzufechten. Die Rechtsfolge ist, dass gemäß § 143 Abs. 1 InsO, das zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden muss, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist.
Unterschieden wird hierbei zwischen kongruenten Deckungen und inkongruenten Deckungen. Kongruente Deckungen betreffen Rechtshandlungen, auf die ein Anspruch seitens des Gläubigers bestand. Bei inkongruenten Deckungen bestand kein Anspruch auf die vorgenommene Rechtshandlung. Der Insolvenzverwalter kann diese Rechtshandlungen anfechten, wenn sie in den gesetzlich festgelegten Zeiträumen vorgenommen wurden. Die gezahlte Summe ist zurückzugewähren.
Im vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall, lagen die Voraussetzungen einer inkongruenten Deckung vor, da die Auszahlungen nicht über den Arbeitgeber erfolgten, sondern über ein Drittkonto, auf das der Arbeitgeber Teile seines Vermögens, trotz Zahlungsunfähigkeit transferierte. Da die Auszahlung an die Arbeitnehmerin über das Drittkonto innerhalb von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte und andere Insolvenzgläubiger benachteiligt wurden, lagen die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 InsO vor. Der Insolvenzverwalter konnte die Rechtshandlung anfechten und den ausgezahlten Betrag zurückfordern.
Da es sich für die Arbeitnehmerin faktisch jedoch um Lohn handelte, war sie der Ansicht, dass zur Sicherung des Existenzminimums, der Rückforderungsanspruch des Insolvenzverwalters nicht so weit gehen dürfe, als dass er den Mindestlohnanspruch berühre. Das Bundesarbeitsgericht sah dies anders.
Was passiert, wenn mein Arbeitgeber insolvent ist und ich davon weiß?
Ein Fall der kongruenten Deckung liegt vor, wenn ein Anspruch auf die vorgenommene Rechtshandlung des Arbeitgebers bestand, was beim Lohnzahlungsanspruch grundsätzlich der Fall ist. Gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO, sind die Lohnauszahlungen für die letzten drei Monate vor dem Antrag des Arbeitgebers auf Insolvenzeröffnung anfechtbar, wenn dieser bei der Auszahlung zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer als Gläubiger dies wusste.
Ob die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Nichtanwendung des Mindestlohngesetzes auch auf kongruente Deckungen anzuwenden ist, ist nicht explizit hervorgehoben. Jedenfalls steht der Arbeitnehmer nicht ganz ohne Schutz da. Gemäß § 165 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Der Antrag ist innerhalb von zwei Monaten, nachdem der Arbeitgeber das Insolvenzverfahren eröffnet hat, bei der Bundesagentur für Arbeit zu stellen. Einmalig wird von der Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld für den Lohn ausgezahlt, der für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu zahlen gewesen wäre. Die Höhe bemisst sich grundsätzlich nach dem Nettoverdienst.
Fazit
Bei der Insolvenz des Arbeitgebers, stellt dies für beide Parteien des Arbeitsverhältnisses große Schwierigkeiten dar. Bei Kenntnis des Arbeitnehmers von der Zahlungsunfähigkeit oder bei Umgehungsversuchen durch Einschaltung von Drittkonten, kann der Lohn zurückgefordert werden. Wie das Bundesarbeitsgericht entschied, erfährt auch das Mindestlohngesetz Einschränkungen.
Bei Kenntnis des Arbeitnehmers von der Zahlungsunfähigkeit und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist innerhalb von zwei Monaten ein Antrag auf Insolvenzgeld bei der Bundesagentur für Arbeit zu stellen.
Bei weiteren arbeitsrechtlichen Fragen zum Thema Insolvenz, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.