Juli 6, 2022

Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers

Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers – Was gilt im Fall der Krankheit?

Kaum ein Thema dürfte seit Anfang 2020 so präsent gewesen sein, wie das Coronavirus. Mit der Verbreitung der Pandemie, waren zunehmend mehr und mehr Personen von einer Infektion betroffen. Da ist es nicht verwunderlich, dass dadurch auch das Arbeitsleben darunter gelitten hat.

Doch nicht nur das Coronavirus, auch andere Krankheiten können zur Folge haben, dass der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglich geschuldete Pflicht, vorübergehend nicht mehr erbringen kann.

  • Doch was gilt im Fall der Krankheit? 
  • Welche Rechte, aber auch welche Pflichten hat der Arbeitnehmer, gegenüber dem Arbeitgeber?
  • Wie lange gibt es Entgeltfortzahlung und was gilt nach diesem Zeitraum?

Die Beantwortung dieser Fragen ist teils durch den Gesetzgeber, teils durch die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte geprägt.

Arbeitsunfähigkeit & Lohnfortzahlung, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht, Symbolbild

Anspruch auf Lohnfortzahlung für sechs Wochen

Das Arbeitsverhältnis ist geprägt von dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Der Arbeitgeber hat einen Anspruch gegen den Arbeitnehmer aus § 611a Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Vertragspartnern geschlossenen Arbeitsvertrag, auf Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung.

Im Gegenzug ergibt sich ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohnzahlung aus § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag. Der Anspruch des Arbeitnehmers ist grundsätzlich gemäß § 614 BGB erst nach Erbringung seiner Arbeitsleistung fällig.

Im Fall der Krankheit gewährt der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer, in Durchbrechung dieser arbeitsrechtlichen Grundsätze, für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen einen Anspruch auf Lohnfortzahlung zu. Der Arbeitnehmer erhält daher Lohn, obwohl er seine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht nicht erbringt.

Geregelt ist dieser Anspruch in § 3 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG). Demnach hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber, für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Vorausgesetzt ist, dass der Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.

Krankheit ist nach der Rechtsprechung, jeder regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der eine Heilbehandlung erforderlich macht.

Die Arbeitsunfähigkeit muss gerade infolge Krankheit bestehen. Die Krankheit muss demnach zur Folge haben, dass der Arbeitnehmer dienstunfähig ist und die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr wie geschuldet erbringen kann, oder durch die Erbringung Gefahr läuft, seinen Gesundheitszustand zu verschlechtern. Ein gebrochener Zeh, der nach der Definition der Rechtsprechung einen regelwidrigen heilbehandlungsbedürftigen Körperzustand darstellt, führt bei einem Schreibtischberuf in der Regel nicht zur Arbeitsunfähigkeit. Daher wäre ein Anspruch aus § 3 Abs. 1 EntgFG in diesem Fall nicht gegeben.

Den Arbeitnehmer darf auch kein Verschulden bezüglich der Arbeitsunfähigkeit treffen. Für ein Verschulden des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber darzulegen, woraus sich dieses ergeben soll. Der Arbeitnehmer muss für die Bejahung des Verschuldens gegen das eigene Interesse eines verständigen Menschen handeln, mithin grob leichtsinnig und unverantwortlich sich selbst gefährdet haben. Die Ausübung von Sportarten, denen ein gewisses Verletzungsrisiko anhaftet, stellt in der Regel kein eigenes Verschulden des Arbeitnehmers dar, sofern er sich ordnungsgemäß schützt. Lediglich für das Kickboxen hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass die Sportart an sich besonders gefährlich ist und allein das Ausüben ein Verschulden darstellt.

Liegen die Voraussetzungen des § 3 EntgFG vor, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Lohnfortzahlung, für die Dauer von maximal sechs Wochen.

Wann gilt § 3 Abs. 1 S. 1 EntgFG nicht?

Der Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht grundsätzlich für jede neue Erkrankung, für maximal sechs Wochen.

Bei einer Fortsetzungserkrankung gilt dies jedoch dem Grundsatz nach nicht. Wird der Arbeitnehmer nach der (unvollständigen) Ausheilung eines Grundleidens, erneut aufgrund derselben Krankheit arbeitsunfähig, so entsteht grundsätzlich kein neuer Anspruch aus § 3 Abs. 1 S. 1 EntgFG.

§ 3 Abs. 1 S. 2 EntgFG sieht jedoch zwei Ausnahmen vor. War der Arbeitnehmer vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit, aufgrund derselben Erkrankung, mindestens sechs Monate infolge dieses Grundleidens nicht arbeitsunfähig, so besteht der volle Anspruch gegen den Arbeitgeber bis maximal sechs Wochen, trotz Fortsetzungserkrankung.

Liegt beispielsweise ein Grundleiden in der Hand vor, das zur Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen führte und hat der Arbeitnehmer sechs Monate wieder arbeiten können, so besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung erneut, auch wenn die Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Grundleidens in der Hand besteht. Unabhängig davon, ob es sich um eine Fortsetzungserkrankung handelt oder nicht, besteht ein neuer Anspruch für maximal sechs Wochen erneut, wenn seit der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit, zwölf Monate abgelaufen sind. Ist der Arbeitnehmer beispielsweise wegen seines Grundleidens in der Hand für mehrere Zeiträume immer wieder arbeitsunfähig, so hat er den vollen Anspruch für die Dauer von sechs Wochen, nach einem Jahr der erstmaligen Arbeitsunfähigkeit.

Zu beachten ist, dass der Anspruch nach § 3 Abs. 1 EntgFG gemäß § 3 Abs. 3 EntgFG nur besteht, wenn das Arbeitsverhältnis vier Wochen ununterbrochen bestand.

Vorsicht ist auch geboten, bei mehreren aufeinanderfolgenden Erstbescheinigungen zur Arbeitsunfähigkeit. Ist der Arbeitnehmer länger krankgeschrieben, beruft sich darauf, während eines Wochenendes oder eines Feiertages genesen zu sein und legt eine neue Erstbescheinigung vor, gelten die strengen Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts, zur Einheit des Verhinderungsfalls. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall zu beweisen, dass eine Genesung von der ersten Krankheit gegeben war und nun eine völlig neue Krankheit auftrat. Andernfalls wird vermutet, dass eine Genesung nicht gegeben war und der Zeitraum von sechs Wochen nach § 3 Abs. 1 EntgFG weiterläuft.

Was gilt im Urlaub?

Sollte eine Erkrankung während des Urlaubs auftreten, so wird bei einem Nachweis durch ein ärztliches Zeugnis, die Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub gemäß § 9 BUrlG nicht angerechnet. Grund hierfür ist, dass gemäß § 1 BUrlG der Urlaub der Erholung dienen soll.

Etwas anderes gilt im Falle der Krankheit während des unbezahlten Sonderurlaubs. Erkrankt der Arbeitnehmer während dieser Zeit, so hat er keinen Anspruch nach § 3 Abs. 1 EntgFG. Denn für einen solchen Anspruch, müsste ein Anspruch auf Lohnzahlung bestehen, wenn die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit weggedacht werden würde. Ein Lohnanspruch bestünde während des unbezahlten Sonderurlaubs jedoch auch ohne Krankheit gerade nicht.

Wer zahlt, wenn ich länger als sechs Wochen arbeitsunfähig bin?

Nach Ablauf der sechs Wochen, besteht ein Anspruch auf Krankengeld gegen die Krankenkasse nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Der Arbeitgeber hat somit ab diesem Zeitpunkt keinen Lohn mehr zu zahlen. Die Höhe des Krankengeldes erreicht nicht den Betrag des arbeitsvertraglich geregelten Lohns. Gemäß § 47 Abs. 1 SGB V, beträgt die Höhe des Krankengeldes 70 Prozent des regelmäßigen Bruttoentgelts und darf 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Nach Ablauf von 78 Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit, zahlt die Krankenkasse nicht mehr. Der Arbeitnehmer kann nun Arbeitslosengeld oder eine Erwerbsminderungsrente beantragen.

Pflichten des Arbeitnehmers

Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 EntgFG hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich die Arbeitsunfähigkeit und ihre voraussichtliche Dauer mitzuteilen. Dies kann formlos, auch per Telefon geschehen.

Bei einer Arbeitsunfähigkeit, die länger als drei Tage besteht, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Oft sind arbeitsvertraglich kürzere Fristen geregelt. Solange die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht vorgelegt wird, kann der Arbeitgeber Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 7 EntgFG verweigern.

Bei weiteren Fragen zur Krankheit und Arbeitsunfähigkeit, stehen wir Ihnen als Anwalt für Arbeitsrecht gerne zur Verfügung.

Autor: Fachanwalt Torsten Klose

Anwalt für Arbeitsrecht in München

Anwalt für Verkehrsrecht in München

​Das könnte Sie auch interessieren: